28.10.2006

Zitate, tolle, die

Vor ein paar Jahren fiel mir folgender Satz in die Hände:
"Ich halte darauf, dass man Theorien nicht machen soll - sie müssen einem als ungebetene Gäste ins Haus fallen, während man mit Detailarbeiten beschäftigt ist."
Dieses Zitat stammt Sigmund Freud, aus einem Brief an Ferenci. Zitiert hat es allerdings dann Peter Fuchs in seinem Buch "Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie" (Anmerkung: die Rezension zu diesem Buch ist wirklich witzig, wenn sie auch dem Buch nicht im Mindesten gerecht wird; die Rezensentin versteht weder die Argumentationsgänge des Autors, noch seine Ironie).
Von Tobias Geissmann habe ich folgendes Zitat von Wittgenstein:
"Sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen ist wie auf einer Schneewanderung auszuruhen. Du nickst ein und stirbst im Schlaf."
Danke, Tobias! Dieser Satz begleitet mich seit langem und macht mir immer wieder Mut.
Zum Schluss, deshalb fiel mir dieser Beitrag ein, ein Zitat von Kronprinz Frederik von Dänemark, das ich heute in der Zeitung gefunden habe:
"Wenn man eine neue Tätigkeit schon im Voraus genau beschreiben kann, dann ist man überqualifiziert dafür."

26.10.2006

Eine Geschichte anfangen (Kritik und Tipps)

Zaddit (dessen wahrer Name mir nicht bekannt ist) hat den Anfang einer Geschichte bei www.fantasyautoren.de veröffentlicht. Zu lesen ist das Ganze hier.
Da ich immer wieder erstaunt bin, dass sich viele Anfänge so trocken und wirr lesen, habe ich hier mal ein paar Tipps zusammen gestellt und eine Kritik zu Zaddits Anfang geschrieben.

Kritik und Tipps

Hallo Zadit!

Ich gebe auch mal kurz meinen Senf zu deinem sehr kurzen Text ab:
Grundsätzlich finde ich ihn zu dicht gedrängt. Du bringst sehr rasch die Erklärung für die Suche deines Protagonisten.
Statt dessen würde ich mir überlegen, wie genau du dies noch ein Stück weit hinauszögern kannst und statt dessen die Spannung erhöhst.

Zwei Sachen kannst du dazu benutzen, dass du die Lösung deines Rätsels nach hinten schiebst: einmal würde ich stärker den Protagonisten charakterisieren. Wer ist das überhaupt? Allerdings nicht so, indem du es berichtest, sondern indem du erzählst: also viele kleine Handlungen so aneinanderketten, dass der Charakter typisch wird.
Zum anderen, indem du die Umgebung genauer beschreibst. Schlösser sind ja nicht gleich Schlösser, sondern sehr verschieden sind.
Hier greift ganz gut der Trick, bestimmte Gegenstände im Schloss mit Erinnerungen zu verbinden: solltest du z.B. den vierten Band von Harry Potter zu Hause haben, dann ließ dir doch mal das zweite Kapitel durch. Da findest du sozusagen ein Kondensat an Tricks, um einen Charakter in seiner Umgebung zu rekapitulieren.

Wenn du etwas erklären willst, dann nutze dafür die Momente, in denen sich die Spannung abschwächt: d.h. zuerst erhöht sich die Spannung: wo ist die Schwester, erreiche ich sie rechtzeitig? dann finde ich eventuell die Schwester und dann kann ich, möglichst in einem Dialog, dieses kleine Quäntchen Wissen einbringen.

Der Verlauf sähe dann (als Vorschlag) so aus:

1. auf der Suche nach der Schwester
1.1. im Schloss herum laufen
1.2. besorgt sein (aber den Leser hängen lassen, warum der Prot. besorgt ist)
1.3. an besonderen Orten suchen (und diese beschreiben)
1.4. zwischendurch die Nervosität ansteigen lassen, nach der BAP-Formel: Besorgnis, Aufregung, Panik (danke! für diese Formel musst du mir kein Geld bezahlen)
1.5. auf die unwahrscheinliche Idee kommen
1.6. dort suchen
1.7. die Schwester finden
2. Medizin geben
2.1. Schwester beruhigen
2.2. zeigen, dass sie ihre Magie (noch) nicht beherrscht
2.3. Medizin einflößen
2.4. Erfolg löst gleichzeitig den nächsten Konflikt aus: Ärger über die Schwester (dieser wird in Gedanken oder szenisch, also als Handlung, dem Leser nahe gebracht)
3. Gespräch mit der Schwester
3.1. Hier kommt jetzt, im Dialog, die Erklärung oder:
3.2. die erschöpfte Schwester ins Bett bringen, warten, bis sie eingeschlafen ist, dann die Erinnerung, wie die Schwester ihre Magie zum ersten Mal entdeckt

Denn im Prinzip mischst du in deinem Text zwei Szenen: einmal die aktuelle Handlung (die, da sie alleine abläuft, monologisch ist: sie ist keine wirkliche Konflikthandlung, sondern eine Handlung zur Vermeidung von Konflikten - das ist zwar auch ein Konflikt, muss aber in Erzählungen anders gehandhabt werden); zum anderen die Erinnerung an das Entdecken der Magie.
Diese beiden Szenen ineinander zu wurschteln ist hohe Kunst. Stephen King kann das. Joan Rowling bedient sich hier allerlei (guter) Tricks, um dem zu entkommen. Patricia Cornwell ebenso. Ich denke, deine Szene würde nicht holpern und stocken, wenn du die beiden Teile gut trennst.

Grundsätzlich für das erste Kapitel solltest du dir auch noch überlegen, dass du schon Hinweise legst, warum die Schwester mit dem ganzen System in Konflikt kommt - denn nicht mehr und nicht weniger solltest du anpeilen. D.h. im ersten Kapitel sollte der Schritt von der Einleitung (etwa das erste Fünftel eines Buches) in die Durchführung (drei Fünftel eines Buches) zumindest nebensächlich angedeutet sein. Im vierten Band von Harry Potter wird gleich im ersten Kapitel der finstere Plan enthüllt. Nur dadurch entkommt Rowling einer umfangreicheren Einleitung. Im dritten Buch dagegen wird die Tür zur Durchführung in dem Moment durchschritten, in dem Harry erfährt, dass Sirius Black hinter ihm her ist (bzw. her sein soll). Im ersten Buch von Artemis Fowl ist zu Beginn des ersten Buches die Tür zum Konflikt längst durchschritten: nämlich schlicht und einfach durch den Willen von Artemis, die Welt notfalls in Schutt und Asche zu stürzen, Hauptsache, er kommt an sein Geld. Klassischere Einleitungen findest du z.B. in den Thrillern von Clive Cussler. Die Einleitung dient meist dem Kontakt mit dem Feind, knüpft aber noch kein verpflichtendes Band zwischen dem Feind und dem Helden. Innerhalb der ersten fünfzig Seiten kommt dann aber eine persönliche Notwendigkeit dazu. In "Der Todesflieger" ahnt Agent Dirk Pitt, dass die Sabotageakte, die er untersuchen soll, etwas mit dem Angriff zu tun haben, in den er vorher zufällig verwickelt war. Darauf hin bringt er beide Ereignisse zusammen und trifft natürlich ins Schwarze. In "Im Todesnebel" bekommt Agent Pitt den Auftrag, mit der Navy zusammen nach einem verschollenen Atom-U-Boot zu suchen, nachdem er 1. eine geheimnisvolle Nachricht von diesem U-Boot gefunden hat (1. Kontakt) und 2. von einer geheimnisvollen Frau beinahe überwältigt wurde (2. Kontakt). Der Auftrag läutet die Durchführung ein, und gleich danach findet der 3. Feind-Kontakt statt, usw. zieht sich das Buch actionreich und ganz nett konstruiert bis zum Ende hin.