27.01.2008

Jean-Christoph Grangé: Das Herz der Hölle

Ich dagegen lese im Moment Das Herz der Hölle (fr.: Le serment des limbes - Der Schwur der Vorhöllen), von Grangé, der auch Das Imperium der Wölfe geschrieben hat. Der Thriller ist ziemlich packend.

Besonders auffällig ist, dass Grangé zwar den modernen Ein-Satz-Stil anwendet, aber mit einer ganz anderen Wirkung als andere Autoren. Bei Grangé wirkt dieser Ein-Satz-Stil nicht abgehetzt und zerhackend, sondern eher hingetupft. Grangé schreibt nämlich nicht solche Sachen wie Schmerz! Im ganzen Körper! Brüllen. Um die Qualen loszuwerden. sondern: Der Schreibtisch akribisch gesäubert. Ein Bleistift. Notizzettel, leer. Das Telefon.
Man muss sich auch hier fragen, was die Funktion dieses Telegramm-Stils ist und welche Wirkung man damit erzielt. Grangé nutzt ihn hier, um Beschreibungen abzukürzen, vor allem, wenn es sich um konventionelle Beschreibungen handelt. Das heißt natürlich auch, dass er gerade dann auf diese elliptischen Sätze zurückgreift, wenn es nichts Dramatisches zu erzählen gibt. Dagegen sind andere Autoren genau an den dramatischsten Stellen so atemlos. Grangés Einsatz finde ich da wesentlich angenehmer zu lesen.
An anderen Stellen wird (bei Grangé) der elliptische Satz verwendet, wenn ein Sachverhalt präzisiert werden soll. Dann wird wie eine beigefügte Erklärung der vorangegangene Satz differenzierter erläutert.
In einer dritten Verwendungsweise steht der elliptische Satz wie ein Thema oder eine Überschrift für das folgende. Damit geht der Autor schon ein Stück weit in Richtung stream of consciousness, denn hier handelt es sich eher um ein Aufblitzen einer freien/wilden Assoziation, die dann in den Kontext durch vollständige Sätze eingebunden werden.

Grangés Buch erzählt die Geschichte des Protagonisten Mathieu: der ist Kommissar bei der Pariser Mordkommission. Als sein bester Freund Luc überraschend Selbstmord begeht, zwar gerettet wird, dann im Koma liegt, als dies passiert, ahnt Mathieu bereits schon, dass dahinter Abgründe lauern. Luc, ein gläubiger Christ, hat sich Zeit seines Lebens mit den Manifestationen des Teufels auf der Erde beschäftigt. Als Mathieu mühsam die erste Spur zusammenrecherchiert, stößt er in ein Wespennest: ein kleines Dorf in der französischen Jura, in dem ein halbes Jahr zuvor ein unheimlicher Leichnam gefunden wurde. Dieser weist alle Stadien der Verwesung auf, von der vollständiger Skelletierung der Füße bis hin zu einem vollkommen erhaltenen Kopf. Laut dem Gerichtsmediziner musste das Opfer erst wenige Stunden tot sein, nachdem sie gefunden wurde. Zudem wurde die Leiche in einer obszönen Stellung bei einem Kloster abgelegt.
Spätestens an dieser Stelle kann man das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Je wilder der Fall sich gebärdet, umso kühler, distanzierter erzählt Grangé. Dabei fährt er keinen Hokuspokus auf, sondern einen intelligent konstruierten Plot, der immer leiser wird, je mehr sich die Situation zuspitzt. Gerade das aber, dass Grangé die Sprache drosselt, den Aufruhr durch die Worte, aber nicht in den Worten passieren lässt, gerade dies erregt.
Mich erinnert das an die Musik von Bizet: Bizet lässt seine Orchestrierung an dem Höhepunkt öfter auf einem Ton verharren und nimmt ganz die Akkorde und jeden tonalen Zusammenhang heraus. Und dieser einzelne, reine Ton drückt die ganze Inbrunst der Bizetschen Musik aus.

Es ist also nicht die Kühnheit der Stilmittel, die Spannung erzeugt, sondern oft genug das Gegenteil: das konventionelle Erzählen, die dramatische Mimesis, wenn sich die Schlinge für den Kommissar zuzuziehen beginnt. - Vielleicht sollte das der eine oder andere Jungautor berücksichtigen, wenn er seinen Romanerstling auf einen Höhepunkt zusteuern lässt.

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