17.07.2008

Paella und was folgt ...

Gestern war es wieder soweit: Cedric hat sein Schuljahr abgeschlossen - diesmal das fünfte - und danach gab es eine Paella, ganz traditionell, mit Scampis, Mettwurst und Safran, und natürlich selbstgemacht. Lecker!

Das Wetter ist scheußlich umgeschlagen und ich hoffe, dass das nur ein kurzer Einbruch des Sommers ist. Gerade habe ich mir zwei kurze Hosen gekauft. Und wozu nützen die, wenn man sich nicht die Sonne auf die Waden scheinen lassen kann?
Seit heute nachmittag sammle ich alle möglichen Stellen aus allen möglichen Büchern zusammen, die sich um alle möglichen Themen drehen. Genauer geht es leider nicht, wenn ich nicht wieder halbe Romane schreiben will.

Einen etwas längeren Aufenthalt habe ich mir allerdings bei Lacan gegönnt, dessen dritten Abschnitt aus Introduction du Grand Autre ich übersetzt habe, zu finden im Seminaire II, Le moi dans la théorie de Freud et dans la technique de la psychanalyse. Die Stelle ist deshalb so berühmt, weil sie die imaginäre Verflechtung und die Lokalisation des Unbewussten erläutert.
Da diese Stelle auch um die Übersetzung und die Zerstückelung kreist, habe ich - wie schon bei anderen Lacan-Übersetzungen - keine möglichst wörtliche Übersetzung geschaffen, sondern eine, die sich stellenweise von dem lacanianischen Text gänzlich absetzt. Als Beispiel mag folgender Satz dienen: "Il [le moi] est là, en bas à droite.", den ich mit "Es ist aber dort, ein rechtschaffenes Minderes, das in der Unterhöhlung der Zeilen redlich läuft." übersetzt habe. -
Ich habe schon länger die Idee, einige der lacanianischen Schemata hier vorzustellen, auch, um für mich noch einmal das Band zwischen einer Semiologie und Rhetorik und der psychoanalytischen Erkenntnistheorie und ihrer Ethik zu erfassen. Andererseits sind gerade diese Themen wieder sehr speziell.

Einen anderen Schwerpunkt habe ich in der Geschichte Die Zeugin, von Joyce Carol Oates. Mittlerweile habe ich so viel Material dazu gesammelt, dass mir mein Vorhaben einer Interpretation zersplittert und ich es mehr mit Bruchstücken zu tun habe, als mit einem kompakteren Modell. Doch das ist ja nur sinnvoll. Kein Text ist eine Einbahnstraße.
Man findet im übrigen bei Oates eine ganze Reihe lacanianischer Gedanken in Reinform, und ich frage mich, ob Lacan sich hier deshalb so deutlich darstellt, weil er so universell ist oder ob Oates nicht Lacan kennt und ihn nutzt.

Lacan findet man aber an den unmöglichsten Orten. So illustriert das Kapitel Der Spiegel Nerhegeb aus Harry Potter und der Stein der Weisen, wie das Ideal-Ich - dasjenige, das man von sich in dem Spiegel sieht - dem anderen Betrachter unzugänglich bleibt, es sei denn, man beschreibt es für den anderen. So übersetzt sich die spekulative Beziehung des Ideal-Ich in die symbolische Ordnung. Dumbledore erzählt Harry, dass manche Zauberer vor dem Spiegel verrückt geworden seien, das heißt, zwischen der Betrachtung des Ideal-Ichs und sich selbst keinen Unterschied mehr machen konnten. Das ideelle Bild ist buchstäblich zum Gefängnis des Menschen geworden und hat ihn darin kaltgestellt. Und auf der anderen Seite ist das, was Dumbledore im Spiegel sieht, ein ganz wundervolles Bild: er bekommt dort Socken geschenkt, Socken, die bei Benjamin ein Sinnbild für den Menschen sind, da die Socken, in sich selbst eingerollt, zugleich Inhalt und Umhüllung sind, sich also selbst als Botschaft enthalten. Und auch der Mensch bringt sich selbst mit, enthält sich selbst als Botschaft.
Wie wenig diese Deutung von der Hand zu weisen ist, kann man an der psychotischen Episode des fünften Bandes ablesen, in der die symbolischen Mauern zwischen Voldemort und Harry Potter immer wieder einbrechen und Harry sich selbst nicht mitbringen kann. Zwischen Inhalt und Umhüllung besteht plötzlich ein Unterschied. Darum weicht Dumbledore auch Harrys Blicken aus: denn hier könnte die imaginäre Beziehung, die für das Menschsein so notwendig ist, vollends zusammenbrechen und Harry dem Weder-tot-noch-lebendig der schizophrenen Besessenheit ausliefern.
Nicht zu vergessen: Als Harry im zweiten Band das Tagebuch von Tom Riddle in einer Socke einpackt, und dies Lucius Malfoy in die Hand drückt, versteht Malfoy nicht, dass die Botschaft nicht das Tagebuch ist, das man behält, sondern die Socke, die man wegwirft. Hier ist einmal die Botschaft umgedreht, als ob nicht der auf's Papier geschriebene Text, sondern der Briefumschlag die Botschaft enthält. Die Socke, die Malfoy fallen lässt, bedeutet für Dobby die Freiheit.

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