03.08.2008

Selbstbeherrschung

Eine der wichtigsten Voraussetzungen der emotionalen Intelligenz, so schreibt Nöllke in Schlagfertig. Die 100 besten Tipps ist die Selbstbeherrschung:
Selbstsichere Menschen lassen sich nicht so schnell von ihren Gefühlen mitreißen. (S. 12)

Damit ist nicht gesagt, dass man Gefühle unterdrücken soll. Es gilt hier eher die Feinheiten eines Gefühls abzuschmecken, so wie man die Herkunft der Kräuter nach und nach abschmecken kann, sogar die Bestandteile des Bodens herausschmeckt, wie ein Weinkenner.
Den Gefühlen Widerstand entgegenzusetzen heißt auch, dass man sie für sich selbst deutlicher, schärfer fasst.

Tatsächlich hat Herbart das Gefühl als Streben und den Widerstand gegen das Gefühl als ein anderes Gefühl beschrieben (Erster problematischer Entwurf der Wissenslehre). Dort fasst er sehr gut zusammen, wie sich das strebende Gefühl und das zwingende Gefühl zu einer diskursiven Bewegung ergänzen:
Der Zwang im Ich, dieses Übergehn — das des Strebens — zu setzen, ist dem Zwange, jenes — das des Widerstandes — zu setzen, entgegengesetzt. Beides hebt sich auf. Damit also nicht im Ich auch Ruhe entstehe, muss es zuerst gezwungen sein, Eins, dann das Andre zu setzen. Aber das gibt ein Hin- und Hergehn; der Widerstand muss zugleich sein mit dem Streben. Seine Richtung kann nicht zugleich sein mit der des Strebens; aber ein andrer Zwang, ein Gefühl also, das zu einer ändern Zeit mit seiner Richtung verbunden ist, dessen Setzen also mit dem Setzen der letztern nur Eins ausmacht und auch in der Erinnerung es mit sich verbindet: dieses muss mit dem Uebergehn des Strebens zugleich sein. Doch damit diesem Gefühle der Widerstand nicht zufällig gesetzt werde, muss er selbst sich gegenwärtig zeigen. Er kann das Übergehn zum Teil aufheben; denn es ist der Vermehrung und Verminderung fähig; es besteht in der Verknüpfung des Von und Zu; je verknüpfter, je näher beide sind, also, — da beide Zeitmomente sind, je schneller das Übergehn von statten geht, desto vollkommener ist es. Von diesem schnelleren und langsameren Erfolg müssen also mehrere Erfahrungen vorhanden sein.
Herbart, Johann Friedrich: Sämmtliche Werke Band 11, S. 45
In dem Streben und dem Widerstand liegt also ein Hin- und Herpendeln, welches möglichst rasch vonstatten gehen muss, um "vollkommen" zu sein. - Das ist ein wenig wie Gehen lernen: man fällt nach vorne, bremst den Sturz und fängt sich ab, fällt wieder, fängt sich erneut, und so fort, bis man den Rhythmus des Gehens so beherrscht, dass man nicht ans Fallen und Auffangen denkt, sondern eben ans Gehen. Und vielleicht ist es ebenso mit den Gefühlen, eben weder zu fallen, noch stehen zu bleiben, sondern dieses dichte Aufeinanderfolgen von Gefühl und Widerstand zu kultivieren.

Nöllke, Matthias: Schlagfertig. Die 100 besten Tipps, Planegg bei München 2007

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