19.07.2009

Trauerarbeit

Hier noch rasch ein schönes Zitat im Umkreis meiner Arbeit zur Empathie:
Sowohl die Ambivalenz wie auch, mit Hegel zu sprechen, der Kampf auf Leben und Tod, werden durch den Verlust hervorgerufen, ja angestiftet. Wenn die Ambivalenz die Melancholie von der Trauer unterscheidet, und wenn die Trauer als Teil des Prozesses der »Durcharbeitung« Ambivalenz nach sich zieht, dann gibt es keine Trauerarbeit ohne Melancholie. Wie schon bemerkt, vertritt Freud in Das Ich und das Es die Auffassung, dass das Ich aus seinen verlorenen Verhaftungen besteht und dass es ohne die melancholische Verinnerlichung von Verlusten kein Ich gäbe. Die Umkehrung dieser Position verfolgt Freud aber nicht, obgleich seine Theorie den Weg dazu weist: Wenn das Ich Aggressionen gegen den verschwundenen anderen enthält, dann folgt daraus, dass die Wiederveräußerlichung dieser Aggressionen gleichsam die Grenzen des Ich sprengt. Der Wunsch zu leben ist nicht der Wunsch des Ich, sondern ein Wunsch, der im Verlauf seiner Entstehung das Ich unterhöhlt.
Butler, Judith: Psyche der Macht

Pompes funèbres setzt die «Trauerarbeit» so lange fort, bis der erlebte Schmerz in eidos der Sensibilität verwandelt und dessen umfassendstes und klarstes Bewusstsein erreicht ist: «Da sie am Ende der Welt waren, auf dem Gipfel jenes an der äußersten Spitze des Finis Terrae aufgestellten Felsens, konnten sie unbesorgt schauen, sich ganz der vollkommenen Ausführung dieser Tat überlassen ... Man musste sie so intensiv wie möglich machen, das heißt, jeder musste das größte Bewusstsein davon haben, um so viel Leben wie möglich in diese Tat zu konzentrieren. Mögen ihre Augenblicke kurz sein, aber beladen mit Bewusstsein.»
Sartre, Jean-Paul: Saint Genet

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