19.07.2010

Modellieren

Eine meiner wichtigsten Auseinandersetzungen in den letzten vier Monaten betrifft den Begriff des Modellierens.
Als Modellieren bezeichnet die naturwissenschaftliche Didaktik das aktive Hineinsehen und Herauslesen eines Modells in und aus der Umwelt. Was als Modell gesehen wird, bestimmt der Betrachter. Eine der reizvollsten Aufgaben dabei sind mathematische Modelle wie zum Beispiel Formeln.
Modelle haben einen intimen Bezug zur Abstraktion. Die Abstraktion muss in diesem Fall allerdings doppelt gelesen werden. Folgt man den Entwicklungspsychologen, wie zum Beispiel Piaget, dann beginnen Kinder von Geburt an die Welt mit Differenzen zu überziehen, Differenzen, die zunächst völlig abstrakt sind. Der Mensch beginnt also nicht mit Konkretionen, sondern mit Abstraktionen. Konkret darf hier nicht mit sinnlich verwechselt werden. Das Sinnliche markiert sich über Kontraste, die ebenso unsinnlich sind, wie Wörter in Texten. Genau dasselbe gilt für Emotionen.
Dieses Denken in Abstraktionen wird in der Entwicklung nach und nach durch eine zunehmende Kombination sinnlicher Kontraste und mentaler Muster überwunden. An dieser Stelle greift das Modell ein. Das Modell rekombiniert diese Abstraktionen erneut, um eine andere Ordnung (des Denkens) auszuprobieren. Gewollte Modelle, also solche, die die Wissenschaft entwirft, sind Reflexionsleistungen, die im wissenschaftlichen Bereich neue Möglichkeiten der Abstraktion erforschen, im praktischen Bereich neue Möglichkeiten der Konkretion. Es geht bei einem Modell nicht um die Wahrheit, sondern um die Übersetzungsleistung und ihre Allgemeingültigkeit (Plausibilität).
In der naturwissenschaftlichen Didaktik wird eine Liste von Modellierungskompetenzen aufgestellt. Eine der zentralsten und wichtigsten Kompetenzen dabei ist die Anwendung eines Modells. Anwendung heißt in diesem Fall, dass das Modell in seiner Übersetzungsleistung Punkt für Punkt nachvollzogen wird. Dabei geht es nicht (ich sagte es schon) um Wahrheit, sondern um Übersetzung und das heißt auch Auseinandersetzung. Vielleicht ist dies einer der wesentlichsten Aspekte eines Modells: dass es in einer unsicheren Umwelt das Handeln ermöglicht. Anders formuliert: ein Modell übersetzt unspezifische Unsicherheit in spezifische Unsicherheit.

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