30.09.2010

Stationenunterricht und gute Erklärungen

In der Pädagogik, vor allem in der "praktisch" orientierten, begegnet man allerlei seltsamen Vokabeln. So finde ich in der Chemiemethodik (von Cornelsen) die Stationenarbeit als "selbstständiges Aneignen von Lerninhalten". Dieses bewirke "eine größere Verantwortung für das eigene Lernen".
Vor dem Hintergrund des Konstruktivismus ist das allerdings ein unsinniger Begriff. Denn im Konstruktivismus wird alles Wissen selbstständig angeeignet und alles Wissen basiert zunächst auf Handlungen, die kognitiv abgebildet und symbolisch verkürzt werden, so dass die Handlung schließlich gänzlich durch das Symbol zurückgenommen werden kann. Es gibt also gar nichts anderes als das selbstständige Aneignen von Lerninhalten. Tatsächlich erinnern solche Formulierungen eher an ein double-bind, in der Art, dass der Schüler sich selbstständig die Inhalte erarbeitet, die der Lehrer wünscht.
Tatsächlich erscheint mir der Wirkungszusammenhang zwischen Wissenskonstruktion und Verantwortung für das Lernen umgedreht, und mindestens wesentlich komplizierter. Indem die Stationen den Schülern die Verantwortung für einen bestimmten Aspekt oder ein bestimmtes Material geben, erzeugen sie ein gewisses Bewusstsein für die Selbstständigkeit. So verkürzt scheint das Ganze aber immer noch unsinnig. Man müsste zumindest noch die Rolle der Aufmerksamkeit und der Metakognition genauer beachten. Dies dürfte eine umfassende und weit reichende Aufgabe sein, zunächst für die Theorie, dann für die Praxis (sowohl der diagnostischen als auch der unterrichtlichen Praxis).
Kranz, Joachim/Schorn, Jens: Chemie Methodik. Berlin 2008


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