21.09.2011

Christa, Schopenhauer, Deleuze

Am Wochenende war meine Schwester da und mein Sohn bei mir. Ich habe also nicht wirklich viel gemacht. Sonntag allerdings habe ich mir noch die neue Version von Freemind heruntergeladen; es ist immer noch eines der besten Mindmap-Programme und dazu kostenlos.

Metaphern

Am Sonntagabend habe ich auch damit mehrere Themen durchstrukturiert. Ich lese gerade das Buch Ärztliche Praxis von Christina Schachtner. Es erläutert, welche Metaphern dem Arzt die Praxis strukturieren und anleiten. Dabei bezieht sich die Autorin auf Lakoff (Metaphors we live by) und auf Pierre Bourdieu. Ich wollte schon lange mal wieder etwas zu Metaphern schreiben und hier habe ich eine Lektüre, mit der ich mich ganz gut auseinandersetzen kann. Auch mit Bourdieu wollte ich schon lange beschäftigen. Ich habe ihn in Paris in seiner Vorlesung besucht, mich danach aber nie gründlich mit ihm auseinandergesetzt.
So ist zunächst eine Mindmap zu den Metaphern nach Lakoff entstanden, die sich nur auf meinem Zettelkasten stützt. Mal sehen, was ich damit anfangen werde.

Christa

Am Montag hat sich Christa bei mir gemeldet. Wer ist das?
Vor zwei Jahren hatte ich mit Christa ein längeres Gespräch. Sie wollte ein Buch schreiben, wusste aber nicht genau, welche Form sie ihm geben soll. Christa war 20 Jahre lang beratend tätig und es ist mir sofort klar gewesen, dass sie ihren Beruf liebt und dass sie ihn gut durchdacht hat. Auf der anderen Seite gibt es ja schon so viele Bücher zu diesem Thema. Ich habe ihr also gesagt, dass, wenn sie dieses Buch schreibt, es ein Liebhaberbuch sein wird. Das hat Christa auch vollkommen akzeptiert.
Nun habe ich lange nichts mehr von ihr gehört. Als sie sich am Montag meldete, hatte sie ein fertiges Manuskript. Damals habe ich ihr den Vorschlag unterbreitet, keine übliche Darstellung zu nutzen, sondern das Ganze in Dialogen aufzubereiten. Diese Form kannte sie schon, weil sie Gregory Bateson sehr intensiv gelesen hat. Sein Buch Ökologie des Geistes beginnt mit einigen so genannten Metalogen. Das sind sehr niedliche Unterhaltungen zwischen einem Vater und seine Tochter über teilweise sehr gravierende (theoretische) Probleme. Auch im wunderschönen Buch von Hofstadter, in Gödel Escher Bach, finden sich sehr lehrreiche Dialoge und weiteren Möglichkeiten und Formen kann man zum Beispiel auch bei Goethe, Tucholsky oder Brecht entdecken.
Daran hat Christa gearbeitet. Ich wollte zuerst gar nicht das ganze Manuskript durchlesen, aber da es erstens ganz spannend zu lesen ist, viel spannender als einfach nur eine Darstellung, da es zweitens vielen meiner Themen sehr nahe steht (Christa hat sich zum Beispiel intensiv mit der Emotionspsychologie von Plutchik auseinandergesetzt, schon in den achtziger Jahren, während ich diese erst 2002 entdeckt habe) und weil viele Sachen, die sie berichtet, mich auch persönlich immer wieder beschäftigen, aus all diesen Gründen also habe ich den Text dann doch vollständig durchgelesen und finde, dass sie etwas sehr eigenständiges und sehr neues daraus gemacht hat.
Was ich besonders an dieser ganzen Aufarbeitung liebe, ist, dass sich Christa über bestimmte Sachen so herrlich aufregen kann und dann auch so deutlich wird, was ihr missfällt. Auf der anderen Seite begründet sie aber auch immer sehr sehr gut, warum ihr das missfällt. Und wie bei allen Menschen, die eine lange Erfahrung in einem bestimmten Gebiet gesammelt haben, schaut sie sehr auf die Hintergründe und kritisiert weniger die Phänomene als die Strukturen. An mehreren Stellen sagt sie das auch so.

Das Manuskript und seine Kapitel

Jedenfalls habe ich vorgeschlagen, ihr Manuskript zunächst in kleinere Kapitel einzuteilen, damit der Leser sich von Anfang an besser orientieren kann, wo er welches Thema findet. Bisher hatte Christa nämlich alle fünf oder sechs Seiten (in Word) ein neues Kapitel; ich habe ihr vorgeschlagen, auf jeder Seite (ungefähr) ein neues Kapitel anzufangen, bzw. einfach eine neue Überschrift zu setzen. Leser kann man heute nicht mehr mit diesen ewig langen Abschnitten, die Kant oder Schopenhauer machen, locken.

Theorie und Praxis

Ansonsten höre ich jetzt schon wieder die Klagen von irgendwelchen Trainern, dass viel zu wenig Praxis und viel zu viel Theorie in diesem Buch zu finden sei. Aber Christa ist hier völlig klar (und ich stimme mit ihr überein), dass die Theorie und die Auseinandersetzung mit der Theorie dazu dient, (anders) wahrnehmen zu lernen und dass die Übungen dazu dienen, eine andere Praxis zu lernen. Beides gehört zusammen.
Ich weiß noch, wie wir uns damals darüber unterhalten haben, dass so viele Menschen zwar ihre Praxis ändern wollen, aber nicht ihre Wahrnehmung. Bei manchen Menschen wird die Veränderung der eigenen Wahrnehmung durch eine so große Angst blockiert, dass ich das schon für krankhaft halte. Aber natürlich ist es auch viel einfach nur eine Bequemlichkeit. Man bestimmt einfach seine Wahrnehmung als die Realität; und man wird schon irgendjemanden finden, dem man diese Realität aufdrücken kann.
Auch hier hat mich das Manuskript einfach interessiert. Es tut gut, dies nochmal von einem anderen (lebenden) Menschen zu hören. Ansonsten ist der Gedanke ja nichts Neues. Ich verweise an dieser Stelle immer auf Kant und Schopenhauer, nicht, weil sie die einzigen waren, bei denen man das findet, sondern um zu zeigen, wie lange dieser Gedanke schon gut ausgearbeitet vorliegt und wie wenig er in unserer Kultur bisher angekommen ist.

Schopenhauer (oder Deleuze)

Die Werke von Schopenhauer habe ich übrigens zu Ende gelesen und mir auch einiges dazu notiert. Allerdings sind viele seiner Gedanken für mich Selbstgänger, das heißt ich habe sie einfach durchgewunken und gesagt: einverstanden, einverstanden!
Jetzt bin ich mir allerdings unschlüssig, ob ich von hier aus nochmal zu Nietzsche gehe oder zu Kant. Letzte Woche habe ich mir die gesammelten Werke von Leibniz gekauft, die ich eigentlich schon seit langer Zeit einmal lesen wollte. Aber auch Deleuze wollte ich mal wieder in Angriff nehmen. Mein Problem mit ihm war immer, dass ich die Philosophen, auf die er sich bezogen hat, nur bedingt kannte; und ich hatte mich auch in viele Auseinandersetzungen noch nicht eingearbeitet, auf die Deleuze mit seinen Büchern reagiert hat.
In den letzten Jahren habe ich das nachgeholt. Ich habe Bergson und Spinoza gelesen, vor zwei Monaten zum Beispiel auch Uexküll (auf den in Tausend Plateaus sehr häufig angespielt wird), ich habe Kant gelesen, Hume und nochmal viele Stellen von Whitehead. Meine Basis ist jetzt sehr viel gefestigter, um die Interpretationen von Deleuze nachvollziehen zu können.

Fleißig

Aber ich war auch noch in einer anderen Hinsicht fleißig. Ich habe selbst viel geschrieben und vor allem aus den Zetteln meines Zettelkastens längere Texte verfasst. Ich habe gemerkt, dass ich mich in den letzten Jahren sehr an diese kurzen Texte gewöhnt habe und diese zu undurchdacht und zu ungeordnet für meine zukünftigen Publikationen verwendet habe. Auf der anderen Seite mag ich meine Schreibweise sehr, die zwischen der Erörterung von Begriffen und dem Erlernen von einer anderen Praxis hin- und herspringt.
Jedenfalls habe ich in den letzten zwei Tagen, und das sehr nebenbei, über 20.000 Wörter geschrieben, bzw. eingesprochen. Vieles davon erscheint mir ganz nützlich; und bei einigen dieser Texte (es waren ja eigentlich nur sieben) bin ich deutlich über 3000 Wörter hinaus, also über das, was man in meinem Blog oder in meinen online-Artikeln an Wortzahlen findet.

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