31.03.2012

Metaphorik

Eigentlich hatte ich vorgestern schon die Rohfassung meines Buches zur Metaphorik abschließen wollen. Jetzt, Samstag, 01:20 in der Frühe, bin ich tatsächlich fertig. Am Donnerstag habe ich mit dem Übergang zwischen Maximen und Vergleichen gearbeitet. Dazu sind einige ganz glückliche Darstellungen entstanden. Nicht jede habe ich in mein Buch übernommen. Diese Aufzeichnungen habe ich heute morgen in dem entsprechenden Kapitel umgesetzt.
Heute habe ich eigentlich nur noch das kommentierte Literaturverzeichnis angelegt. Hier bin ich vor allem an Karl Bühlers Sprachtheorie hängen geblieben. Bühler ist, was ich bisher nicht so deutlich wahrgenommen habe, später Neukantianer. Mittlerweile habe ich vieles von Kant gelesen, aber auch einige andere Neukantianer (wie etwa Mach oder Uexküll). Und damit ergeben sich viel hintergründigere Lesarten.

28.03.2012

Statische und dynamische Argumentation

Ich beschäftige mich, immer etwas nebenbei, und seit ich mir letztes Jahr die gesammelten Werke von Schopenhauer und Kant zugelegt habe, intensiv mit der Argumentation. Ganz besonders empfehlen kann ich das kleine Büchlein von Perelman ›Logik und Argumentation‹.

Hier ein Kommentar von mir, den ich vor einiger Zeit zu diesem Büchlein verfasst habe:
Die Argumentation aus der Erfahrung (oder aus dem Verlauf von Erfahrungen) und die Argumentation aus einer Begriffsstruktur können sich widersprechen. Die aus der Erfahrung gewonnenen Begriffe können, durch eine sehr unterschiedliche Zusammenfassung, den konventionellen Begriffen entgegenstehen. Auch diese sind ja eigentlich nur Ablagerungen aus sozialen Erfahrungen. Aber sie sind gleichsam stillgestellt, statisch und haben damit den Anschein einer Idealität. Begriffe, die sich durch Erfahrung gebildet haben, und die dazugehörigen Argumentationen sind dagegen noch offensichtlich dynamisch.
(Zu Seite 68)
Zur Erklärung: Kant schreibt in seiner Logik, Erfahrungen zu machen bedeute, Erfahrungen mit Begriffen zu machen. In der einen Argumentation, die ich hier salopp dynamisch genannt habe, schreibe ich gleichsam ein Stück Biografie: diese Situation und dieser Begriff. In der anderen Argumentation geht es eher um die gute Darstellung, die Rücksicht auf die guten Gesetze des Denkens. Diese Argumentation ist eher ethisch (und Perelman schreibt das auch so: die Logik als eine Teildisziplin der Ethik).

Perspektivisch geht es mir bei dieser Arbeit (also der Auseinandersetzung mit der klassischen Logik und Argumentation) aber eher um einen Kontrast zu dem, was ich narrative Argumentation nenne.

27.03.2012

Rauchen

Ich hatte es letztes Jahr schon einmal versucht. Aus aktuellem Anlass kommt jetzt der nächste. Das Rauchen komplett aufzugeben. Vernunft nützt hier ja nichts, nur Wille und dass man doch gewisse Einschränkungen verspürt. Das ist der aktuelle Anlass: wenn ich so viel in meinem Sprachverarbeitungsprogramm spreche, wie in den letzten Tagen, geht mir meine Stimme weg.
Außerdem hat Nico auch mit dem Rauchen aufgehört (Glückwunsch!) und jetzt können wir nicht mehr guten Gewissens in Raucherkneipen gehen.

mit Deutschland geht es abwärts

Und zwar wieder einmal im Bereich Universität. Offenbar haben sich die Studenten immer noch nicht geändert. Eine Umfrage zur Verbesserung der Universitäten betraf vor allem das Essen, die Freizeitmöglichkeiten und den Sex.
All dies ist nachzulesen und zwar hier: Fällt euch sonst nichts ein?

26.03.2012

Metaphorik. Strategien der Verbildlichung

Das war meine Hauptarbeit in den letzten Tagen: seit Herbst letzten Jahres habe ich alle meine Zettelchen und Anmerkungen zum Thema »Verbildlichen« (was in der Trainer-Literatur sehr ungünstig als Metaphorik bezeichnet wird) in meinem elektronischen Zettelkasten geordnet (es gibt dort ein geniales Werkzeug: den Schreibtisch) und wollte das irgendwann einmal verschriftlichen. 
Vor anderthalb Wochen habe ich dann einen Rappel bekommen. Der Schreibtisch war so umfangreich, und ist teilweise dermaßen ins Detail gegangen, dass ich dachte, wenn das jemals ein Buch wird, dann wird es nicht nur den Gebrauch der Sprache an sich vorstellen, sondern auch noch die feinsten Verzweigungen der modernen Rhetorik (gut, ganz so schlimm ist es nun nicht).

Jedenfalls habe ich jetzt den umgekehrten Weg gewählt und alles Mögliche rausgeschmissen, um dem interessierten Laien eine gute Hilfe zu geben und d.h. natürlich, um ein gutes, populärwissenschaftliches Buch zu schreiben. Daran sitze ich auch seit letztem Dienstag ganz konkret. 
Ein wenig Kopfzerbrechen hat mir noch die Einteilung in Kapitel gemacht. Letzten Endes lässt sich hier allerdings keine gute Ordnung finden, da rhetorische Figuren und Textmuster sich vielfältig überschneiden. Man kommt automatisch beim Besprechen bestimmter rhetorischer Figuren zu anderen rhetorischen Figuren oder eben zu den entsprechenden Textmustern, in denen diese eingebaut werden können.

Drei Kapitelchen habe ich noch vor mir. Das nächste wird noch einmal sehr lang; danach folgen zwei kurze. Besonders das Kapitel über die Metapher selbst ist sehr umfangreich geworden.

Da ich aber heute bereits 10.000 Wörter geschrieben habe, reicht das auch. 
Übrigens ist das Schreiben nicht das größte Problem. Durch mein Spracherkennungsprogramm und durch die Ordnung der Zettel übertrage ich vieles einfach und setze manchmal nur noch den einen oder anderen vermittelnden Satz dazwischen. 
Anstrengender ist es, dann doch noch das eine oder andere wegzulassen. Dann sitze ich immer noch mal herum, und überprüfe, ob ich diese Technik tatsächlich bisher so selten eingesetzt habe, ob ich selten eingesetzt gefunden habe oder ob ich mir vorstellen könnte, sie häufiger einzusetzen. Dann überlege ich mir trotzdem Übungen und mache diese. Und natürlich fließen diese Ergebnisse nicht in das Buch ein (vor allem, wenn meine Ergebnisse schlecht sind). Aber Zeit brauche ich dafür ja trotzdem. Ich habe heute Morgen um kurz nach acht begonnen; zwischendurch war ich 2 h spazieren. Jetzt allerdings ist es 9:00 Uhr abends und da darf ich mir dann sagen: Schluss mit der Arbeit.

An meiner Einführung in den ›Homo Faber‹ habe ich auch weiter geschrieben, allerdings nur wenig. Der dritte Abschnitt ist konzeptuell fertig. Was mir zur Zeit ein wenig die Lust nimmt, ist der zweite Abschnitt, der eine umfangreiche Inhaltsangabe darstellt, mit ersten Hinweisen zur Interpretation. Aber Inhaltsangaben sind nicht besonders spannend und ich muss mich ständig zurückhalten, nicht weiter zu interpretieren.

Schließlich ruht mein Büchlein über Argumentationslehre für Schüler. Dies wird tatsächlich nur ein relativ kurzer Text. Das Problem bei diesem Buch ist ebenfalls die Auswahl. Die Argumentationslehren könnte man, wenn man sie umfangreich, anschaulich und mit vielen Übungen macht, zu einem sehr dicken Buch ausgestalten. Und ich muss natürlich auf die Darstellung in den Schulbüchern Rücksicht nehmen. Diese ist nun teilweise sehr vereinfachend und auch verwirrend. Ich möchte doch behaupten, dass viele Schüler vielleicht die Begrifflichkeiten nicht kennen, aber doch bereits mehr Sprachgefühl haben, komplexer denken können, als ihnen in den Schulbüchern zugemutet wird.

22.03.2012

Lesen, was dasteht

Wegen eines Kommentars auf Spiegel online hatte ich einen etwas nervenaufreibenden E-Mail-Verkehr mit einem Menschen, der zu den gnadenlosen Vereinfachern gehört. Dieser hatte geschrieben, man solle den Kindern gefälligst das Lesen beibringen und wenn diese das am Ende der ersten Klasse immer noch nicht könnten, die Kinder "runterstufen".
Genau gegen solch eine Auffassung des Lesens mache ich seit Jahren Front. Wie ich in meinem Artikel Sinnentnehmendes Lesen hier auf meinem Blog und noch einmal in Sinnentnehmendes Lesen - ein unbegrenzter Begriff geschrieben habe, besteht Lesen aus allen möglichen Denkmustern. Nur zum Teil lernt man diese in der Schule. Und es gibt keine Gesamtheit aller möglichen Lesemuster. 
Wer von Kindern am Ende der ersten Klasse ein vollständiges sinnentnehmendes Lesen erwartet, erwartet etwas, was ein hochintelligenter Mensch in seinem ganzen Leben nicht zu leisten vermag. Sein Argument: Das Kind müsse doch nur einfach lesen, was dasteht.

Besagter  Zeitgenosse wollte oder konnte meine Argumentation nicht verstehen. Er bezeichnete mich schließlich als Kommunist. Und kam, als ich ihn fragte, wie er von meinem Plädoyer für eine Vielfalt des Lesens zum Kommunismus käme, mit einem der typischsten Einwände dummer Menschen: Wenn ich das nicht verstehe, sei ich dumm.

Meine Auffassung ist, dass man einem ideologischen Lesen nur durch ein vielfältiges Lesen entkommt. Die einzelne Interpretation ist immer an eine Idee gebunden und an eine Ideologie. Ich kann diese Ideologie also nicht auflösen, sondern nur durch Gegenpositionen abschwächen. Und dazu muss ich teilweise auch offen widersprechende Interpretationen oder Lesarten pflegen. Dafür muss ich (emotional) in der Lage sein, Widersprüche nicht nur auszuhalten, sondern sie bewusst herbeizuführen und nebeneinander stehen zu lassen.

Besagter Mensch hat nun seine eigene und, wie ich ihm bescheinigen kann, sehr beschränkte Art und Weise zu lesen. Die versucht er nun allen Menschen aufzudrücken, auch allgemein den Schülern. Wenn er für sich selbst kein Motiv zur Erweiterung seiner Lesekompetenz findet, dann ist das nicht sonderlich aufgeklärt, aber eben sein Bier.
Doch dann sollte er die fachlich qualifizierten Aussagen den Fachmännern und Fachfrauen überlassen. Mir zum Beispiel. Und nicht, wie er das tut, seine eigene, undurchdachte Meinung als das richtige Maß nehmen.

Wie auch immer: Lesen ist Vielfalt und keine Interpretation ist für sich richtig. Es gibt immer etwas zu lernen. Genau das macht aber Lesen auch zu so einer spannenden Tätigkeit.

18.03.2012

Was ist Aufklärung?

Seit Monaten habe ich nicht mehr auf suite101.de einen Artikel veröffentlicht. Jetzt allerdings bin ich doch mal wieder fleißig gewesen und habe eine Einführung in Kants Aufsatz Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? geschrieben.

Vielleicht werde ich noch einige weitere Artikel zu Kant schreiben. Der Vorteil bei suite101.de ist, dass man gerade in diesen Sonderbereichen, die wenig gesucht werden, relativ rasch oben bei Google landet. Der Nachteil ist, dass dies kaum Tantiemen bringt (wenn man dies denn als Nachteil sieht).
Im übrigen finden sich sogar recht zahlreich Artikel zu Kant auf suite101.de, nicht immer in guter Qualität. Schön, und mit anderen Akzentsetzungen als mein Artikel ist der von Ulrike Wallenschus: Was ist Aufklärung? Immanuel Kant antwortet.

An meinem Artikel sind verschiedene Abkürzungen problematisch. So habe ich den Begriff des Verstandes nur in äußerster Kürze erläutert, dabei ist dieser der eigentlich zentrale Begriff der Definition. 
Dann habe ich die Hindernisse der Aufklärung, Faulheit und Feigheit, nur oberflächlich umrissen. Diese beiden Hindernisse, samt deren von Kant beschriebene Folgen, müssen aber genauer gelesen werden, vor allem auch in Bezug auf ihre anthropologischen Grundlagen (Über die Anthropologie in pragmatischer Sicht).
Schließlich habe ich den mittleren Teil, der die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Gebrauch der Vernunft (!) ausführt, nur angedeutet. Erstens müsste man hier klären, warum Kant von dem Verstand zur Vernunft kommt und was dieser Wechsel bedeutet; zweitens müsste man die mehrfach wiederholte Floskel "als Gelehrter" ausdeuten; drittens müsste man die Aussage, der Fürst (von Preußen, also Friedrich II.) sei aufgeklärt, nicht aber der Staat (Preußen) selbst (da man sich nicht in einem aufgeklärten Zeitalter, sondern "nur" in einem Zeitalter der Aufklärung befinde) genauer erörtern. 

Besonders glücklich finde ich meine Formulierung, der erste Teil des Satzes "Räsonniert so viel ihr wollt und worüber ihr wollt; aber gehorcht!" sei der letzte Befehl des Monarchen. Dies ist natürlich eine kühne Behauptung und keinesfalls so zu verstehen, dass Friedrich II. danach keine Befehle mehr gegeben hätte. Es ist eher in Bezug auf die Rolle zu verstehen, die Friedrich II. als Monarch ausübt und wo er sich das Monarch-Sein versagt (nämlich im öffentlichen Gebrauch des Verstandes).

12.03.2012

Thor: eine Beobachtung

Was mich am Film ›Thor‹ auch fasziniert: dass das Wort ›Allvater‹ dem Wort ›Alphatier‹ so ähnlich ist. ›Thor‹ ist nicht nur darin eine typisch männliche Fantasie. (Überhaupt das ganze Hollywood-Kino der letzten Jahre: furchtbar chauvinistisch!)

Mentalisten

Nein! Ich war nicht wirklich interessiert, nur etwas gelangweilt. Was sich derzeit als ›Magie‹ oder ›Mentalismus‹ und ähnlichem auf dem Buchmarkt ausbreitet, ist weder interessant noch neu. Eines dieser Bücher habe ich mir gekauft und gelesen. Und mich ziemlich gelangweilt.
Aber insgesamt weist diese Strömung auf eine Tendenz hin, die ich seit Jahren in unserer Gesellschaft beobachte: Statt sich zu fragen, wie man solidarisch handeln kann, geht es um die bestmögliche Manipulation, die in einer Gesellschaft möglich ist, in der immer noch "irgendwie" die Freiheit des Einzelnen geschützt wird. Gäbe es diesen Schutz nicht, liefe das ganze auf Zwang und Erpressung hinaus, auf der einen Seite; oder auf der anderen Seite auf Selbsttäuschung. Jedenfalls ist vieles einfach nur noch esoterisch.
Bücher also für alle Menschen, die nicht reflektieren wollen oder die vor allem das Bedürfnis haben, über andere Menschen inhaltslose Macht auszuüben. Widerlich!

Nachtrag:
Vielleicht sollte ich allen an ›Magie‹ Interessierten eine Übersetzungshilfe in die Schriften von Kant geben, wo sich bei diesem Bezüge zu dem aktuellen ›Mentalisten‹ finden lassen und wo Kant wesentlich weiter denkt, als diese neumodischen Gelegenheitsdenker.

Kant, Homo Faber und Adorno

Mittlerweile bin ich dabei, zu Max Frischs ›Homo faber‹ eine Interpretationshilfe zu schreiben. Diese soll vor allem für Schüler sein. Zur Zeit quäle ich mich durch die Inhaltsangabe. Seit gestern habe ich nur die kurze Fassung geschafft; gerade beginne ich mit der längeren (es soll zwei Inhaltsangaben geben: eine sehr knappe, und eine etwas ausführlichere, in der Aspekte der Interpretation bereits besprochen werden).
Warum ich mich mit der Inhaltsangabe so herumquäle: Bei der Lektüre von Schriften Adornos bin ich auf zahlreiche Verbindungslinien zum ›Homo faber‹ gestoßen. Außerdem findet sich in dem Buch ›Lektürehilfen: Homo faber‹ aus dem Klett-Verlag, Autor: Manfred Eisenbeis, ein sehr schöner Abschnitt über das Problem des Bildnisses (womit Frisch die Rollen bezeichnet, die wir gesellschaftlich spielen). Auch das ist ein wichtiges Thema von Adorno, dieser Zwang zur Identität, ebenso die déformation professionelle, die sich sowohl im Roman als auch in der Minima Moralia finden. Schließlich gibt es zahlreiche Geräusche im ›Homo faber‹, die in die Nähe der ›identitätslosen Musik‹ geraten.
Ich habe also eigentlich interessantere und anspruchsvollere Ideen. Was mich an zahlreichen Interpretationen des ›Homo faber‹ so entnervt: die Behauptung, dass dort etwas drin steht, was gar nicht zu finden ist, zum Beispiel Fabers Tod, oder dass er Magenkrebs habe. Faber befürchtet, er hätte Magenkrebs. Aber nirgendwo findet sich explizit diese Diagnostik. Genauso steht nirgendwo, dass Faber stirbt oder sterben muss. Zugegeben drängt einen der Roman zu diesem Schluss; aber dies sagt ja mehr über das Lesen aus, als über den Roman selbst.

Außerdem letzte Woche: Aufzeichnungen zu Kant, vor allem zu dessen Aufsatz Was ist Aufklärung?, aber auch zu Abschnitten aus dem Streit der Fakultäten, der praktischen und der reinen Vernunft. Auch hier Beziehungen zu Max Frisch. Gelesen habe ich auch ›Freiheit‹ von Joachim Gauck; ein leider recht banales, um nicht zu sagen naives Werk.

06.03.2012

Wenigschreiber

Da bezeichnet mich doch jemand als "Wenigschreiber". Das ist ja wohl die Lüge des Jahrhunderts! "Wenigveröffentlicher" wäre wohl richtiger. Aber vielleicht dankt mir das der eine oder andere, dass ich zur Zeit relativ penibel Texte auseinanderpflücke. Zur Zeit ist es eben Adorno. Und meine Gedanken nicht gleich in irgendeine undurchdachte Veröffentlichung fasse.

05.03.2012

am Anfang des Schreibprozesses

Und trotzdem noch einmal ein Zitat aus der Minima Moralia von Adorno, weil es meinen derzeitigen Arbeitsprozess (dank Spracherkennungsprogramm) so gut reflektiert:
Zu diktieren ist nicht bloß bequemer, spornt nicht bloß zur Konzentration an, sondern hat überdies einen sachlichen Vorzug. Das Diktat ermöglicht es dem Schriftsteller, sich in den frühesten Phasen des Produktionsprozesses in die Position des Kritikers hineinzumanövrieren. Was er da hinstellt, ist unverbindlich, vorläufig, bloßer Stoff zur Bearbeitung, tritt ihm jedoch zugleich, einmal transkribiert, als Entfremdetes und in gewissem Maße Objektives gegenüber. (Seite 135)

Schiller und Adorno; Wut

Am Samstag war ich, nach einem etwas längeren Arbeitstag am Computer, spazieren. Wohin lenken mich meine Schritte? In den einzigen Buchladen, der nach 19:00 Uhr in Berlin noch offen ist: Dussmann. Und verlasse den Laden natürlich mit einigen Büchern, diesmal ausschließlich Adorno, seinen Kierkegaard, Minima Moralia und die beiden Bände zu Kulturkritik und Gesellschaft (in denen Prismen, Ohne Leitbild, Eingriffe und Stichworte enthalten sind).

In der Minima Moralia habe ich folgendes gefunden:
Der sprachliche Habitus Schillers gemahnt an den jungen Mann, der von unten kommt und, befangen, in guter Gesellschaft zu schreien anfängt, um sich vernehmlich zu machen: power und patzig. Die deutsche Tirade und Sentenz ist den Franzosen nachgeahmt, aber am Stammtisch eingeübt.
S. 99
Im übrigen habe ich die Bücher jetzt so ziemlich durchgelesen. Durchgelesen durchaus in einem "schlechten" Sinne, nämlich noch nicht genug darüber nachgedacht. Wird aber auch niemand von mir verlangen: Nicht nach zwei Tagen.

Die Dialektik der Aufklärung, die ich schon seit Ewigkeiten besitze, habe ich auch wieder gelesen. Ein schönes Buch, nicht einfach. Mit dem ich mich lange nicht beschäftigt habe: ich erinnere mich an die ganz üble "Arbeitsgruppe", mit der ich dieses Buch gelesen habe und die sich keineswegs mit dem Text auseinandergesetzt haben, geschweige mit der Logik, die hinter Adornos Gedankengängen zu finden ist. Heraus kamen mehrere unfruchtbare Sitzungen, Beleidigungen, arrogantes Gebaren und für mich eigentlich nur die Bestätigung, das so genannte gesellschaftskritische Menschen mit äußerster Vorsicht zu genießen sind. Ihr Besserwissen gerät doch allzu leicht zum Gesinnungsterror, vor allem, wenn es eigentlich ein Schlechterwissen ist.
Das habe ich erst später herausgefunden, als ich mich intensiv mit der Negativen Dialektik und der Ästhetischen Theorie beschäftigt habe, vor allem aber mit dem schönen Buch Die Souveränität der Kunst von Christoph Menke (Frankfurt am Main 1991).

Zur Zeit folge ich den verschiedenen Varianten der Begriffe ›Wut‹ und ›Zorn‹ im Werk Adornos. Vor allem die Wut ist im Spätwerk ein zwar selten zu findender, aber wichtiger Begriff. Ebenso aber auch der Hass. — Aber hier bin ich noch am Sammeln und am Systematisieren, kann also noch nicht sonderlich viel dazu sagen.