22.10.2012

Folkloristisches und literarisches Erbe

Irgendjemand auf Facebook hat sich darüber aufgeregt, dass ich geschrieben habe, dass das Schreiben von Büchern immer etwas Gutes ist. Es gibt zwei Gründe, warum ich diese Auffassung vertrete. Der eine Grund ist ein kognitionspsychologischer, der andere ein literaturhistorischer.

Man muss, wie das die russischen Formalisten getan haben, zwischen der „hohen“ und der folkloristischen Kunst streng unterscheiden. Gerade finde ich eine Aussage von Roman Jakobson dazu (Poesie und Grammatik, Seite 63):
„Wir vertraten die These, dass die Werke der Volksdichtung und literarische Werke unter verschiedene Kategorien fielen und das demnach auch folkloristisches und literarisches Erbe zu unterscheiden seien.“
Was mich so fasziniert, ist, dass hier, im E-Book-Bereich, eine in offiziellen Medien verschwiegene Kultur hochkocht. Allerdings möchte ich auch nicht verschweigen, dass diese Literatur weniger meine Lust an Unterhaltung befriedigt, als meine (wissenschaftliche) Neugier anstachelt. 
Ein zentrales Thema meiner Arbeit sind ja Textmuster; es gibt zahlreiche Autoren, die konventionelle Textmuster hervorragend bedienen können. Das ist übrigens keine Kritik an den Autoren. Krimis zum Beispiel müssen einfach ganz strikt konventionell sein und es gibt nur sehr wenige Krimis, die tatsächlich etwas Neues und Unübliches schaffen. Dürrenmatt gehört dazu, Paul Auster wäre hier zu nennen, eventuell Murakami. Wissenschaftlich gesehen sind hervorragende Autoren allerdings auch in gewisser Weise „unfruchtbar“, weil sie zu wenig Vergleichsmöglichkeiten bieten. Und hier bieten „dilettantische“ Autoren, bei denen Beschreibungen oder Schilderungen „zerbrechen“, hervorragendes Untersuchungsmaterial. (siehe: Die Kreativität der Schriftsteller)

Es ist vielleicht nicht das freundlichste Interesse, das ich für diese Autoren hege.

Und die Kognitionspsychologie? Ein Text ordnet immer Elemente in größere Strukturen an, zum Beispiel Wörter in Sätze. Damit sind Texte parallel zum Kompetenzaufbau zu sehen. Und ich möchte behaupten, dass das Schreiben von Texten die Mechanismen des Kompetenzaufbaus fördert. Nicht bei jedem Menschen und jedenfalls auch nicht kausal, aber im allgemeinen schon. Die andere Sache ist, ob man diese Texte dann unbedingt veröffentlichen sollte.

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