14.05.2013

Die leidlichen Rezensionen; Ratgeber zu schreiben kann auch ein Abenteuer sein!

Es ist schon erstaunlich, was sich manche Menschen zusammenlesen. So hat sich eine gewisse Christel Spanik über mein Rhetorik-Buch folgendermaßen geäußert:
Das war eine Recherche - Zusammentragung von Literatur, aber es wurde nichts zu wirklichen Tipps verarbeitet. Der Autor wollte sich offensichtlich noch viel Geheimtipps fúr andere Publikationen aufsparen.
Wenn man sich meinen Klappentext durchliest, kann man sich nur wundern: ich hatte nichts Neues versprochen, sondern nur das best practice einer über 2000 Jahre langen fachlichen Tradition. Insofern ist der erste Halbsatz schlichtweg eine Umformulierung.
Was "wirkliche" Tipps sind, weiß ich nicht. Das Textmuster "Tipp" sehe ich gleichbedeutend mit dem "Rat", bzw. der "Maxime". Maximen sind allgemeine Handlungsempfehlungen und genau dies habe ich angeboten. Allgemein müssen diese bleiben, da man nur in einer konkreten Situation spezifisch werden kann, also auf einen bestimmten Menschen zugeschnitten. Wenn Frau Spanik das gesucht hat, braucht sie aber keinen Ratgeber, sondern einen Coach, jemanden, der ihr behilflich ist, diesen letzten Schritt in die eigene Praxis zu gehen.
Schließlich ist der zweite Satz eine pure Unterstellung und Boshaftigkeit. Die Kommentatorin wollte wohl darauf hinweisen, dass ich hier Beutelschneiderei betreibe und ein Rhetorik-Buch nach dem anderen "heraushauen" will. Natürlich schreibe ich viel über die Rhetorik. Aber mein Blog ist dann doch eher der analytischen Rhetorik verpflichtet, statt der rein praktischen. Und selbstverständlich wird es dazu dann auch irgendwann Bücher geben.
Inhaltlich sehe ich mein Buch durchaus kritisch. Es gibt andere hervorragende Autoren im praktischen Bereich, so zum Beispiel Thomas Schlayer. Auch er bringt nur lang bekannte Tatsachen. Vieles von dem, was wir schreiben, hat schon Cicero geschrieben. Nur ist das, was Cicero dort erörtert, auf die damalige Situation im römischen Reich zugeschnitten und von seiner Sprache her auf die damaligen Verhältnisse angepasst. Wir modernisieren solche Texte und akzentuieren sie anders. Das macht Schlayer genauso wie ich. Unsere Bücher unterscheiden sich vor allem in bestimmten Schwerpunkten und in den Erläuterungen zu bestimmten Tipps.
Ganz konnte ich mir allerdings die Neuerungen nicht verkneifen. Schon seit Jahren wundert es mich, dass Ergebnisse der Sprechakttheorie nicht in der praktischen Rhetorik auftauchen. Ich habe Sprachwissenschaften studiert, als Teilgebiet der Germanistik. Dort kommt man um die Sprechakttheorie gar nicht herum. Sie untersucht die Sprache als Handlung. Genau das aber wollen zum Beispiel Verkaufstrainer oder Kommunikationsberater: Sie wollen ihren Kunden beibringen, wie diese mit der Sprache wirksam werden können. Ich habe also die Sprechakttheorie, allerdings noch sehr oberflächlich, in dieses Gebiet der praktischen Rhetorik eingebunden. Insofern ist mein Buch sogar "innovativ" und geht über die reine Vermittlung der praktischen Rhetorik deutlich hinaus.

Eine weitere unsinnige Rezension findet sich in meinem Kommunikationsbuch. Ein Hans Joachim Hock wirft mir vor: "So geht jedenfalls keine systemische Kommunikation.!!!" Das ist natürlich kompletter Unsinn. Hier muss man allerdings vorsichtig sein. Niklas Luhmann, auf den ich mich sehr stütze, erläutert in seinem Buch Soziale Systeme, dass jede Kommunikation auf einer Paradoxie beruht, also einen internen Widerspruch "aufzulösen" hat, der sich aber nicht auflösen lässt, es sei denn durch Blindheiten. Dadurch scheint sich bei dem Rezensenten die Überzeugung eingeschlichen zu haben, Kommunikation sei immer falsch. Das aber meinte ich gar nicht. Das meinte auch Niklas Luhmann nicht. Herr Hock hat sich dann wohl eher an den systemischen Ratgebern orientiert, die das Blaue vom Himmel versprechen und die leider mit der Theorie von Niklas Luhmann wenig zu tun haben.
Besser wäre gewesen, die Kommunikation immer als unvollständig zu betrachten. Ob man dies nun als Mangel ansieht oder als Chance, ist wohl eine Geschmacksfrage. Wenn ich zum Beispiel einen Anruf von einer dieser Callcenter bekomme, die mir ein neues Produkt verkaufen wollen, sehe ich das meist nicht als Last an, sondern als Chance, meinen Widerstand gegen Verkaufsargumente zu prüfen.
So entpuppt sich die Kritik von Herrn Hock leider als eine Art indirekter Selbstkritik: seine Argumente greifen fehl. Ärgerlich an der ganzen Sache ist nur, dass Einsteiger das eben noch nicht beurteilen können.

Lustig fand ich folgende Rezension zum selben Buch:
Gut. Hat mehr als drei Sterne, aber ich belasse es auf 3 Sterne Passende Inhalte, gesucht, vielversprechend, vielaussagend. Kleine Geschichte über die Idee.
Da hat aber jemand Lust gehabt! - Übrigens schreibe ich keine Geschichte über die Idee, sondern stelle kurz diesen Begriff dar, weil er für viele klassische Romane wichtig ist. Ansonsten hätte ich bei Platon und seinem Höhlengleichnis anfangen müssen.

Ihr merkt: ich bin etwas genervt. Ich bekomme häufiger Zuschriften per E-Mail, die mich loben oder beschimpfen. Natürlich freue ich mich über ein Lob. Beschimpfungen gehen nur an mich, wenn ich gerade einen meiner sensibleren Tage habe. Am meisten aber freue ich mich über konstruktive Kritik, auch wenn diese mal nicht positiv ausfällt. Ansonsten finde ich es immer schwierig, bei Ratgebern das Maß zwischen Rezepten der Praxis und theoretischen Erläuterungen zu halten. Während sich der eine Leser durch Rezepte gegängelt fühlt, versteht der andere Leser die Theorie nicht, weil sie ihm zu fremd ist und vermisst dann die Praxis.

4 Kommentare :

ezzy hat gesagt…

ZA ... eine gewisse Christel Spanik ... ZE
nu, lieber Frederik Weitz, warum denn gar so giftig? Soweit ich Ihr Blog verfolge - und das geschieht zugebenermaßen nicht täglich und nicht erschöpfend - sind Sie in Ihrer Kritik dessen, was andere schreiben, auch nicht immer ganz behutsam. Auch Ihre Interpretation des etwas süffisanten zweiten Satzes der "Rezension" Ihres Buchs zeigt kein ausgeglichenes Gemüt.

Ihre Reaktion auf Kritik legt mehr offen, als Sie vielleicht zeigen wollen. Natürlich wünscht sich jede/r, der/die etwas "Eigenes" schafft und sich damit auch noch in die öffentliche Auslage stellt, Lob, Bewunderung, Zustimmung, Gefolge und dergleichen. Das muss - und sollte - aber nicht dazu führen, Gegenstimmen derart niederzumachen. Das haben Sie doch nicht nötig?

Mich beschleicht beim Lesen Ihrer Reaktionen auf negative Kritiken das Gefühl, dass Sie vielleicht nicht voll und ganz hinter Ihrem aktuellen Werk stehen, daher auch "getroffen" sind. Da könnte einer dann aber doch auch nachdenken und seine Schlüsse ziehen - ohne beleidigt zu schnappen. Schon ist eine negative Rezension nicht mehr "unsinnig".

Ist also heute wohl wieder einer Ihrer "sensibleren Tage", wie Sie selbst am Ende anmerken. Da bleibt wohl nichts, als gemäß Ihrem Schlusssatz - ZA Während sich der eine Leser durch Rezepte gegängelt fühlt, versteht der andere Leser die Theorie nicht, weil sie ihm zu fremd ist und vermisst dann die Praxis.ZE - sich andere LeserInnen zu suchen...

oder: den Sinn für Humor zu pflegen und zu vermehren - was Wissenschaftlern oftmals recht schwer fällt.

Mit einem freundlichen Lächeln aus Wien...

Evy hat gesagt…

Es las sich anfangs wie Meckern, war es aber nicht. Du hast das gut erklärt und auch über Kritik sollte man offen reden!

Frederik Weitz hat gesagt…

Liebe Ezzy!

Natürlich ist Kritik nichts schlechtes. Aber mir vorzuwerfen, ich würde keine Tipps geben, wie Frau Spanik das tut, ist eigentlich üble Nachrede, denn gerade dieses Buch enthält mehrere lange Listen, in denen Tipps aufgezählt sind. Was ein Tipp ist, bzw. eine Maxime, sollte aber jedem halbwegs denkenden Menschen klar sein.
Ja, und es gibt schlechte Rezensionen. Solche, deren Kritik man zurückweisen muss. Die pauschalisieren oder sogar das komplett verdrehen, was im Buch passiert.
Wir sind uns natürlich einig, dass Kritik sein muss. Was allerdings nicht geht, ist, sich ein Argument aus vielen herauszusuchen und darauf herumzuhacken oder sich gar Argumente zu erfinden. Argumente müssen für andere Menschen nachprüfbar sein. Quellenangabe im weitesten Sinne. Und wenn ein Argument nicht nachprüfbar ist, dann taugt es nichts.

Was mein "Werk" angeht: ich muss oft über Themen sprechen, die für mich eigentlich abgehakt sind. Das macht mir nichts aus. Es erleichtert mir mein Leben. Ich muss nicht über die klassische Rhetorik nachdenken. Viel spannender ist, was seit Nietzsche passiert und was man eine "moderne" Rhetorik nennen könnte. Vielleicht kommt daher der etwas laxe Ton meiner Kritik: die rhetorische Theorie ist doch schon viel weiter (z. B. die Metapherntheorie), wir könnten uns schon mit ganz anderen Inhalten beschäftigen, aber wir hocken immer noch bei den römischen Rednern und deren Themen. Nicht alle, natürlich nicht. Es gibt diejenigen, die durchaus den Nietzsche, den Wittgenstein, den Bachelard und den Barthes, Lacan und Butler gründlich gelesen haben. Auf der anderen Seite ist natürlich klar, dass auch das erstmal erfahren und eingeübt werden muss. Dazu ist dann aber eher mein Blog da, der sprachliche Betrachtungen auf sehr unterschiedlichen Niveaus bietet und für mich den Vorteil hat, dass es nicht gleich ein langer Text werden muss. Ich stehe also hinter meinem Text, aber mit einer gewissen Langeweile, ehrlich gesagt.

Liebe Grüße,
Frederik

Frederik Weitz hat gesagt…

Liebe Evy!

Es gibt solche und solche Kritiken. Nicht jede ist hinnehmbar. Was mich an der einen Rezension (zur Rhetorik) geärgert hat, war, dass das Argument der fehlenden Tipps komplett erfunden ist.
Neulich bekam ich eine E-Mail mit folgenden Worten: "Ihr Buch bietet tatsächlich nichts Neues. Aber Ihre Darstellung ist amüsant. Zumindest hat sie einen gewissen ironischen Unterton. Darf ich Ihre Listen [mit Tipps] in meinen Seminaren benutzen?" Und dann schicke ich schon mal das Original heraus, damit der Trainer nicht die entsprechenden Texte nochmal abtippen muss. Kostenlos (das muss man ja heute leider immer wieder betonen)!

An der Rezension zur Kommunikation wiederum hat mich geärgert, dass Begriffe aus meiner Systemtheorie (Niklas Luhmann) deutlich verschoben wurden. Der Rezensent kennt möglicherweise einen systemischen Ansatz. Wenn, dann ist er mir unbekannt. Dass er daraus den weitreichenden Schluss zu ziehen vermag, mein Buch sei Mist, logisch gesehen eine Extrapolation (die Pauschalisierung eines Arguments), persönlich gesehen einfach eine Beleidigung.

Ich versuche immer konstruktiv zu sein. Wenn mir das nicht gelingt, oder ich zumindest ahne, dass mir das nicht gelungen ist, versuche ich das nachzuholen.

Vielleicht sollte ich auch mal über ein Buch zur "richtigen" Kritik nachdenken.

Vielen Dankt für deinen Kommentar,
Frederik