20.01.2014

Lanz und Wagenknecht

Es sieht so aus, als würde seit letztem Samstag eine Welle der Empörung Markus Lanz überschwemmen. Anlass war die Sendung, in der Sahra Wagenknecht zu Gast war. Was früher schon immer wieder zu großem Unmut geführt hat, nämlich dass Lanz Wagenknecht mitten in einer Argumentation unterbricht, war in dieser Sendung besonders krass. Lanz geht auf bestimmte Argumente von Sahra Wagenknecht überhaupt nicht ein. Stattdessen kommt er immer wieder mit völlig idiotischen Fragen und teilweise auch mit Unterstellungen, sogar mit Sachen, die Wagenknecht vorher bereits von sich gewiesen hat.

Die Form der Aufklärung

Die Aufregung, die diese Sendung verursacht hat, betrifft nicht die Inhalte, also zunächst nicht das, was Lanz Wagenknecht entgegengesetzt, sondern die Form, in der Lanz mit Wagenknecht umgeht. Und soweit ich das mitgekriegt habe, sind die meisten Menschen auch nicht deshalb gegen Lanz, weil sie für Wagenknecht sind, sondern weil sie sich von Lanz entmündigt fühlen und sich lieber selbst eine Meinung gebildet hätten über das, was Wagenknecht erzählt.
Besonders schlimm finde ich dann, dass Lanz Wagenknecht anti-europäische Ressentiments unterstellt, im gleichen Atemzug aber grundlegende Spielregeln der europäischen Aufklärung verrät, zu der zum Beispiel die Begriffsdiskussion gehört. Die Begriffsdiskussion ist eine Sache, die Immanuel Kant in seinem Aufsatz Was ist Aufklärung? ausdrücklich erwähnt. Und er verlagert die Begriffsdiskussion dort in die Öffentlichkeit und zwar in eine Öffentlichkeit, die um Aufklärung bemüht ist. Indem Lanz nicht erfasst oder nicht erfassen will, wie Wagenknecht ihre Begriffe definiert, kann er natürlich nicht diskutieren und damit auch ein grundlegendes Prinzip der Aufklärung nicht nachvollziehen.

Petition gegen Lanz

Mittlerweile ist der Ärger im Internet so groß, dass irgendwelche Menschen eine Petition gestartet haben, die Lanz aus den öffentlich-rechtlichen Medien verbannen soll. Prinzipiell bin ich ja dagegen, dass Moderatoren immer nur die Meinungen anderer zu Gehör bringen. Aber wenn ein Moderator so dilettantisch oder böswillig eine andere Meinung unterdrückt, dass im Prinzip nur noch seine eigene Meinung durchgesetzt wird, dann widerspricht das zutiefst meinem Verständnis einer demokratischen Diskussion. Und in diesem Fall, und es ist ja nicht das erste Mal, erweist sich Lanz einfach als nicht tragbar. Dann soll er doch bitte schön zu den Schmuddelsendungen von RTL gehen, besser noch von RTL 2.

Europa als Fetisch

Und Wagenknecht? Nun, Ihre Idee von Europa ist natürlich eine Idee, die gestaltet werden muss. Und sie kritisiert ja nicht Europa und sagt: das muss jetzt alles weg. Sondern sie kritisiert den Zustand, in dem sich die europäische Integration im Moment befindet. Und hier spricht sie immer wieder eine Sache an, die sie leider nicht besonders klar darstellt. Europa ist kein Ding, das irgendwo herum liegt und noch nicht richtig fertig geworden ist. Europa ist ein politisches Gefüge. Und dieses politische Gefüge ist unzureichend gestaltet worden, bisher. Lanz tut gegenüber Wagenknecht aber so, als würde man Europa einmal fertig machen, und dann sei es für den Rest der Zeit auch eben genau dieses gute Europa. Und so funktioniert ein Staatsgefüge einfach nicht. Das ist eine Sache, die man immer wieder neue Ideen und neue Umformungen hinein geben muss. So hatte auch noch nie im ganzen Zeitraum der Geschichte ein einzelner Staat funktioniert. Wenn die Änderungen nicht von innen kamen, dann kamen sie irgendwann von außen. Und dann musste politisch auf die eine oder andere Weise wieder darauf reagiert werden.

Raus aus dem Euro? - Die Bedingungen einer Währung

Dasselbe ist doch das Problem vom Euro. Zunächst ist der Euro eine Währung. Und eine Währung funktioniert nur unter bestimmten Bedingungen. Die Frage ist jetzt: können wir die Bedingungen zum Beispiel wesentlich damit ändern, wenn wir die DM wieder einführen? Womit dann auch wieder die Frage verknüpft ist, ob es sich für uns überhaupt lohnt, aus dem Euro auszuscheiden. Oder ob es sich für andere Länder lohnt oder ob es sich für die Gemeinschaft lohnt. Ich kann diese Frage natürlich nicht beantworten. Aber ich kann zumindest ablehnen, den Euro als eine Sache zu bewahren, nur weil sie gerade im Moment von der Regierung als besonders toll und nicht kritisierbar erachtet wird. Ich möchte natürlich diskutieren, wo die Vorteile und wo die Nachteile des Euros sind. Und die zweite Sache ist, dass der Euro nicht als Münze wichtig ist, sondern als Möglichkeit, etwas zu tauschen. Und damit ist es gar nicht so wichtig, was der Euro für sich ist, sondern welche Funktion der Euro in einem Netzwerk hat. Man muss den Euro nicht abschaffen, um irgendwelche Vorteile zu bekommen. Man kann auch das Netzwerk drumherum ändern und dadurch dem Euro selbst einen anderen Status geben. Dahin ist die Diskussion mit Wagenknecht aber gar nicht gekommen. Lanz hat das ganze Gespräch immer wieder auf diese völlig unsinnige Frage zurückgeführt, ob Wagenknecht nun für oder gegen den Euro ist. Und Wagenknecht hat mehrmals den Anlauf gemacht, dass es nicht darum geht, sondern unter welchen Bedingungen dieser Euro im Moment funktioniert. Und das ist dann von Lanz immer wieder als Ablehnung des Euro interpretiert worden. Zu der eigentlich spannenden Frage, welche Bedingungen Wagenknecht für den Euro schaffen will, damit der ihrer Ansicht nach gut funktioniert, ist die ganze Diskussion ja gar nicht gekommen. Und dass man sich über diese Bedingungen dann wieder hätte streiten können, ist natürlich klar. Aber es wäre ein Streit auf einem anderen Niveau gewesen. Meiner Ansicht nach hat Lanz hier das Niveau der Diskussion bewusst gedrückt und versucht, dieses Niveau dann Wagenknecht in die Schuhe zu schieben. Und das ist schlechter Journalismus.

Die Sendung findet ihr hier.

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