25.02.2014

Wenn meine Welt voller Frauen wäre, was machte ich mit den Kondomen? Die Befindlichkeiten des Herrn Matussek.

Es ist schon eine äußerst befremdliche Argumentationsweise, wenn der gute Herr Matussek versucht, die kinderlose, heterosexuelle Partnerschaft dadurch zu retten, dass er sagt, diese könnten ja prinzipiell Kinder bekommen, wenn sie nur wollten. Und grenzt das dann von homosexuellen Partnerschaften ab, die eben nicht miteinander Kinder bekommen können. Nun können natürlich auch Homosexuelle Kinder bekommen. Wenn sie denn wollen. Nur nicht miteinander.
Matussek argumentiert auch, völlig an der Biologie vorbei, dass die Evolution etwas wolle, nämlich die Heterosexualität.
Nun ist dieser Wille in der Evolution mit Darwin gründlichst ausgetrieben worden und auch wenn Darwin später zu Recht für vieles kritisiert worden ist: in diesem Punkt hat man ihm seitdem nicht widersprochen.

Platon ohne Tagessieg

Matussek beschert uns auch solche denkwürdigen Sätze wie: »Zunächst mal: Ich glaube nicht, dass Größen wie Platon durch flüchtige Tagessiege der Naturwissenschaften prinzipiell abgeräumt wären.« Nun, mein lieber Matussek, nun lass dir mal ein bisschen den Kopf tätscheln und dich über etwas Kulturgeschehen der letzten 500 Jahre aufklären.
Der Streit, ob der Mensch vor allem aus seinen Ideen heraus nur unter Entbehrung zu den Tatsachen vordringen könne oder der Mensch nur mit Mühe aus den Tatsachen Ideen entwickle, der ist so alt wie Platon selbst und immer wieder von diesem flüchtigen Tagessieg der Naturwissenschaft angeheizt worden.
Was auch immer Matussek mit diesem flüchtigen Tagessieg zu verstehen und zu bezeichnen meint.

Neo-Platonismus

Und apropos Platonismus und flüchtiger Tagessieg. Liest man sich von Thomas Metzinger Der Ego-Tunnel durch, dann hat man es hier mit einem Platonismus par excellence zu tun. Wie auch immer diese Opposition zwischen Platon und der Naturwissenschaft zustandekommt, es handelt sich doch um eine falsche, herbeigeredete Opposition. An ihr ist nichts Echtes, außer dass Matussek auf eine so krude Art und Weise simplifiziert, dass man ihm kaum Bildung zusprechen mag.

Ein Lob der Zweigeschlechtlichkeit

Natürlich ist Zweigeschlechtlichkeit eine wichtige Entwicklung gewesen. Die Zweigeschlechtlichkeit konnte sich alleine deshalb durchsetzen, weil sie in geradezu unglaublicher Weise die Variabilität der Nachkommenschaft erhöht hat. Und man höre hier schon, dass es um Variationen geht, um Unterschiede, nicht um Filiationen. Varianz bedeutet Veränderung, bedeutet langsame Verschiebung der Arten, so eben vom Fisch zur Amphibie, zur Echse zum Vogel und was sich da sonst noch ereignet hat in dem großen Experimentierkasten, den wir Natur nennen.
Gewollt hat das die Natur nicht. Geschehen ist es trotzdem. Dank der Varianz und der natürlichen Selektion. Demnach kann Arterhaltung auch nicht das übergeordnete Ziel der Evolution sein. Vielmehr stabilisieren sich bestimmte Arten über einen längeren Zeitraum hinweg in einem bestimmten Milieu.

Kultur als unchristliche (?) Geschwindigkeitsübertretung

Variabilität, das ist der eine Vorteil der Zweigeschlechtlichkeit. Eine enorme Geschwindigkeitserhöhung in der Anpassung der andere.
Nun hat die Natur auch einige seltsame Blüten getrieben, wie zum Beispiel mit dem menschlichen Gehirn. Das menschliche Gehirn zeichnet sich durch eine enorme Plastizität aus und ermöglicht es dem Menschen, komplexe Werkzeuge zu erschaffen und eine hochflexible Sprache zu benutzen. Und genau diese beiden Vorteile sind es dann auch, die wesentliche Säulen der menschlichen Kultur bilden.
Nebenbei aber haben sie noch einen ganz anderen Effekt. Wiederum erhöhen sie die Geschwindigkeit der Anpassung um ein Vielfaches und lassen die Zweigeschlechtlichkeit, bei allen Vorteilen, die sie zu haben scheint, weit hinter sich. Mehr noch als dass der Mensch ein zweigeschlechtliches Wesen ist, ist er doch ein kulturelles Wesen.
Vor allem aber kann er nun seine Milieus selbst herstellen und den Veränderungszwang, dem Lebewesen über viele Millionen Jahre ausgesetzt waren, unterlaufen. Fast könnte man meinen, dass der Mensch das Wesen ist, das die bisherige Evolution komplett infrage stellen wird, einfach, weil er auf das Medium der Sprache zurückgreifen kann.

Dieses beschissene Hirn: ein Gottesgeschenk

Es gibt andere Befremdlichkeiten, die Matussek so von sich gibt.
Welche Philosophen er auch meint, zu den Weisheitslehren mancher Philosophen gehört auch die Ablehnung des Platonismus und das jenseits der Debatte um die Homophobie. Ich hoffe, dass Matussek diese Philosophen nicht auch aus dem Grund ausgrenzen möchte, weil sie Platon kritisiert haben. Kritik ist nun mal das Tagesgeschäft auch der Philosophen.
Wenn er dann auch noch die menschliche Vernunft als Gottesgeschenk bezeichnet, dann muss man sich allen Ernstes fragen, was überhaupt die Evolution noch anderes in seinen Texten zu suchen hat als eine großartige Teufelei. Oder ist die Vernunft etwa etwas Außerirdisches, was nur zufällig in einer Horde herumstreunender Affen gelandet ist, nach dem Willen einer außerirdischen Intelligenz und so zeitlos wie die Farben der Herbstmode?
Es ist nicht sonderlich weit her mit diesen ganzen Argumenten.

Letzte Primärtugend: Kinderreich rammeln

Hatte Matussek dann tatsächlich Platon und die Weisheitslehren großer Philosophen im ersten Absatz verteidigt, erklärt er sie im dritten Absatz schließlich als überflüssig für den christlichen Weltordnungsgedanken. »Man braucht keine mit großem philosophiegeschichtlichen und psychoanalytischen Schmuck vorgetragene Herleitung irgend eines christlichen Ordo-Gedankens«, so schreibt er, »für die ganz simple Einsicht, dass Lebewesen sich fortpflanzen müssen, um die Art zu erhalten.« Jawohl, und zwar jedes Lebewesen einer bestimmten Spezies. Glück ist nur denen beschieden, die kinderreich gerammelt haben.

Oder anders gefragt: Wenn meine Welt voller Frauen wäre, was mach ich mit den Kondomen?

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