08.03.2014

Intellektuelle Redlichkeit

Einen darf ich noch, gelle, lieber Piper-Verlag?
Intellektuelle Redlichkeit bedeutet, dass man einfach nicht bereit ist, sich selbst etwas in die Tasche zu lügen. Sie hat auch etwas mit sehr altmodischen Werten wie Anständigkeit, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit zu tun, mit einer bestimmten Form von »innerem Anstand«. Man kann vielleicht sagen: Sie ist eine sehr konservative Weise, wirklich subversiv zu sein. Intellektuelle Redlichkeit ist möglicherweise aber auch gleichzeitig genau das, was Vertreter der organisierten Religionen und Theologen aller Couleur einfach nicht haben können, auch wenn sie es gerne für sich in Anspruch nehmen würden. Intellektuelle Redlichkeit bedeutet ja gerade, dass man nicht vorgibt, etwas zu wissen oder auch nur wissen zu können, was man nicht wissen kann, dass man aber trotzdem einen bedingungslosen Willen der Wahrheit und zu Erkenntnis besitzt, und zwar selbst dann, wenn es um Selbsterkenntnis geht, und auch dann, wenn Selbsterkenntnis einmal nicht mit schönen Gefühlen einhergeht oder der akzeptierten Lehrmeinung entspricht.
Metzinger, Thomas: Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik S. 385

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