15.12.2014

Denken mit dem Stift

Dies ist eine Seite aus dem Buch UZMO - Denken mit dem Stift von Martin Haussmann.
Nun dürft ihr mich unken hören, dass Menschen, die nur mit dem Stift denken, statt mit dem Gehirn, gar nicht denken, sondern bloß kritzeln. Und tatsächlich sollte man dieses Buch nicht nach seinem Titel beurteilen. Richtig allerdings ist, dass der Autor, hervorragend, wie ich finde, erläutert, wie Visualisierungen beim Denken helfen können, als Übersicht und Struktur, als Medium für semantische Experimente, als Hilfe für das Gedächtnis.

Der Aufbau des Buches I

Das Buch ist hoch strukturiert, dabei aber insgesamt sehr spielerisch. Für ein Buch über Visualisierungen zeigt es erstaunlich viel Text. Das funktioniert allerdings wunderbar, weil es zugleich sehr großzügig gestaltet ist, so dass es sich leicht lesen lässt. Für ein Buch, das vor allem für Coaches, Management-Trainer und sogenannte Experten geschrieben ist, enthält es erstaunlich viele konkrete Informationen und so gut wie gar keine befremdlichen Vokabeln, hinter denen sich entweder gar nichts oder längst abgelatschter Stiefel verbergen. Man hat es also mit einem angenehm sachlichen und praktischen Buch zu tun. Ich befürchte, dass die Hälfte dieser sogenannten Experten dieses Buch als zu kompliziert empfinden wird, obwohl es einfach geschrieben ist (aber zu konkret und ohne diese Party-Vokabeln).

Der Aufbau des Buches II

Das Buch ist im Querformat gedruckt, so dass es aufgeschlagen sehr breit auf dem Schreibtisch liegt. Zudem kommen zwei Klappseiten im Einband dazu. Ungeachtet dessen ist es aber ganz handlich.
Es gliedert sich in sechs Kapitel, von denen das erste die Rolle der Visualisierung in der heutigen Welt reflektiert. Die beiden nächsten Kapitel stellen zum einen die Grundelemente der Visualisierung vor und dann die Verbindung von Inhalt und Darstellung. Die anderen drei Kapiteln zeigen den Einsatz beim Präsentieren, Dokumentieren und Erkunden.
Zudem gibt es einen ausführlichen Anhang, der schöne Tricks für das Präsentieren verrät.

Beispiel I: Zeichnen Sie live

Das ist so klar wie Kloßbrühe. In der Lehrerausbildung ist dieses Prinzip seit über 100 Jahren bekannt. Seit Mitte der sechziger Jahre nennt man Tafelbilder, die man während des Unterrichts erstellt, genetische Tafelbilder. Wem die Erklärung in den Pädagogikbüchern dazu zu mager sind, findet hier ein hervorragendes Buch, um sich mit der Gestaltung von Tafelbilder auseinanderzusetzen.
Die Empfehlung ist aber auch deshalb sinnvoll, weil in den letzten Jahren PowerPoint geradezu unmäßig verwendet wurde. Zudem ist PowerPoint relativ unflexibel, wenn man während des Unterrichts auf die Äußerungen von Schülern und Studenten eingehen möchte. Es ist vor allem peinlich, wenn ein Dozent während des Unterrichts die PowerPoint-Präsentation ändern möchte und mit dem Programm nur mäßig umgehen kann. Das habe ich einmal erlebt.
Eine Tafel, farbige Stifte und ein Wischtuch, sowie eine mäßige Fähigkeit zum Zeichnen tun hier alle mal besser ihr Werk.

Beispiel II: der Spaghettitopf

So nennt der Autor Schaubilder, auf denen alles durcheinander läuft, als habe man einen Topf voller Spaghetti vor sich. Solche Schaubilder sind wohl das, was eine PowerPoint-Präsentation so ärgerlich machen.
Da ich selbst zu solchen Skizzen neige, wenn ich mir versuche, eine schwierige Textstelle auseinanderzupflücken, fand ich gerade diesen Abschnitt besonders anregend. Ein ganz wichtiger Aspekt, der mir gestern geholfen hat, war die Verbildlichung bestimmter Ideen. Schon allein dies bringt eine gewisse Übersicht selbst in ein sehr chaotisches Cluster. Der Autor bezeichnet dies als visuelle Anker.
Das ist allerdings nur einer von zahlreichen Tipps dazu.

Beispiel III: Infogramme

Gleich im Anschluss daran zeigt der Autor, wie man Infogramme entwickelt. An einem kurzen Textausschnitt demonstriert er, wie man über acht sehr praktische Schritte zu einem Infogramm kommt. Das ist übrigens eine Technik, die ich gerne meinen Schülern beibringen würde. Zum Teil wird diese schon intuitiv beherrscht. Etwas mehr Systematik wäre allerdings hilfreich. Mal sehen, wie ich diese in den Unterricht einbringen kann.

Visuelle Vokabeln

Ein großer Pluspunkt ist die (allerdings eigentlich sehr bekannte) Idee, seine Zeichnungen aus Grundelementen zusammenzusetzen. Dies erklärt der Autor schön, allerdings auch etwas knapp, da gerade das Zeichnen von Piktogrammen vielen Menschen Mühe bereitet.

Schwachstellen

Ich möchte dieses Buch nicht über den grünen Daumen loben (oder heißt es: den grünen Klee?). Mit Sicherheit wird sich der eine oder andere an diesem Buch auch frustrieren. Der Autor ist professioneller Grafiker mit einer großen Erfahrung, wie man Informationen visuell präsentiert. Das ist seinem Buch hervorragend anzumerken. Das macht es so angenehm zu lesen. Es ist aber keine Zeichenschule und wer sich noch so gar nicht in den Bereich des Zeichnens eingearbeitet hat, wird gerade zu Beginn einen steinigen Pfad vor sich finden, bei dem dieses Buch wenig Übergänge schafft.
Gerade Anfänger oder Menschen, die lange aus der Übung sind, werden zu Beginn an ihren Grundelementen, ihren Kästen und Kreisen, Pfeilen und Linien verzweifeln.
Hier hilft nur eins: üben, üben, üben.
Und hier begeht der Autor dann auch den Fehler, mit seinen gekonnten Grafiken, dem übersichtlichen Bildaufbau, den kleinen Details, der Farbgebung und den Schattierungen ein Niveau anzubieten, das für den normalen Menschen erst nach längerer Zeit und fleißigem Training erreichbar ist. Man sollte sich daran nicht messen und sich zunächst an die einfachen Grafiken halten, die der Autor eben auch anbietet. Später kann man dann zu komplizierteren und detailfreudigeren Figuren übergehen.

Fazit

Sieht man von einigen Stolpersteinen ab, ist dieses Buch wunderbar geeignet, um sich mit der Technik der Infografik auseinanderzusetzen. Es ist sinnvoll, dass man bereits etwas Erfahrung mit Bunt- und Filzstiften gesammelt hat und sei es nur mit kleinen Kritzeleien. Aber selbst solche „unnützen“ Kritzeleien ermöglichen ein brauchbares Selbstverständnis im Umgang mit Stiften. Und mehr ist eigentlich wirklich nicht nötig.
Sinnvoll für das Buch ist auch, wenn man sich einen Block mit Notizzettel besorgt, auf dem man immer wieder die grafischen Elemente üben kann. Ein solcher Block ist nicht teuer und sofern man nicht jeden Tag 50-80 Zettel bekritzelt, hält er auch einige Zeit vor.

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