31.10.2015

Einstellungsgespräch I (Stephen King: Shining)

Gerade lese ich parallel Shining und Doctor Sleep, wobei Shining zu den ganz frühen, Doctor Sleep zu den ganz neuen Werken von Stephen King gehört. Es gab irgendwo vor Es eine Veränderung in Kings Schreiben, und dann noch mal eine, die man auf den Zeitpunkt datieren könnte, als er Das Bild und Insomnia geschrieben hat. Die allerneuesten Bücher von ihm kenne ich noch gar nicht. Es gibt auch noch andere Bücher, die ich parallel dazu lese, wie das immer bei mir ist. Zu einem Buch, einem Physik-Buch übrigens, welches mir Nico geschenkt hat, schreibe ich vielleicht heute auch noch etwas. An solchen populärwissenschaftlichen Büchern finde ich die Darstellung und die Verwendung rhetorischer Mittel immer sehr interessant, interessanter als in vielen Romanen.

Gleitende Erzählsituation

Ich hatte gestern Nacht geschrieben, dass bei Stephen King die Erzählsituation eigentlich nie auf ein Textmuster beschränkt wird. Um hier gleich einem Missverständnis vorzubeugen: das ist keineswegs ein Vorwurf und auch keine Abwertung der literarischen Qualität seiner Bücher. Tatsächlich findet man dies recht häufig bei allen moderneren Schriftstellern, deren Schwerpunkt auf dem Erzählen liegt, so zum Beispiel bei Vladimir Nabokov, Nadine Gordimer oder Joyce Carol Oates. Dies unterscheidet, so möchte ich behaupten, generell viele Romane des 20. Jahrhunderts von denen des 19. Jahrhunderts. Der Erzähler wird vielstimmig.
Schauen wir uns das an einem Beispiel an.

Seite 8

(1) Schmieriger kleiner Scheißkerl, dachte Jack Torrance.
(2) Er maß ein Meter sechzig und bewegte sich mit der (3) eilfertigen Gewandtheit, die offenbar allen kurzen Dicken eigen ist. Sein Haar war exakt gescheitelt, und sein dunkler Anzug wirkte nüchtern, aber irgendwie tröstlich. (4) Ich bin der Mann, zu dem du mit deinen Problemen kommen kannst, verriet dieser Anzug dem zahlenden Kunden. Den kleinen Angestellten sagte er etwas ganz anderes: Entweder ihr spurt, oder … In seinem Aufschlag steckte eine rote Nelke, vielleicht, damit niemand Stuart Ullman auf der Straße mit dem örtlichen Beerdigungsunternehmer verwechseln konnte.
(5) Während er Ullman zuhörte, gestand Jack sich ein, dass er unter diesen Umständen niemanden gut gefunden hätte, der ihm gegenüber am Schreibtisch saß.
Ullman hatte etwas gefragt, was ihm entgangen war. Das war schlimm; Ullman war genau der Typ, der sich solche Fehler merkte, sie im Gedächtnis behielt und später wieder gegen seinen Kontrahenten ausspielte.
(6) »Wie bitte?«
»Ich fragte, ob Ihre Frau weiß, auf was Sie sich hier einlassen. Und dann ist da noch Ihr Sohn.« Er sah auf das Antragsformular, das vor ihm lag. »Daniel. Bekommt Ihre Frau bei diesem Gedanken nicht Angst?«
»Wendy ist eine außergewöhnliche Frau.«
»Ist auch Ihr Sohn auch außergewöhnlich?«

Textmuster

Allgemeine Bemerkung

Der Beginn des Romans führt in eine konflikthafte, aber nicht ungewöhnliche Situation ein. King parallelisiert die äußere, wahrnehmbare Wirklichkeit mit der inneren Gedankenwelt einer seiner Figuren, in diesem Fall Jack Torrance. Das ist wohl das, was man Erzählperspektive nennen kann. Zwar wird kein einheitlicher Erzähler verwendet, aber die Perspektive scheint sich doch stark auf Jack Torrance zu konzentrieren. Und da wir, wenn wir uns selbst beobachten, in unseren Gedanken sowohl sehr persönlich gefärbte Kommentare zu unserer Umgebung als auch relativ objektive Beschreibungen finden können, scheinen wir also geneigt zu sein, einer Romanfigur dieselbe Bandbreite an Gedanken zuzugestehen. Formal gesehen müssten wir hier also penibler vorgehen; für das, was ich darstellen möchte, reicht aber zunächst die Feststellung aus, dass die Erzählperspektive bei Jack liegt.
Stephen King nutzt die Erzählperspektive aus, um existierende und mögliche Konflikte darzustellen. Ein besonders wichtiger Aspekt ist dabei die Wiedergabe der Gedankenwelt, die jeweils das äußere Geschehen kommentiert und aus den Romanen von Stephen King immer auch psychologische Romane macht. Damit sind wir aber schon mittendrin in der Beschreibung der Textmuster.

Bewusstseinsstrom und innerer Kommentar

Ich hatte geschrieben, dass bei Stephen King die Textmuster nicht über längere Passagen hinweg verwendet werden. Der Bewusstseinsstrom, der eigentlich ein ungebremster innerer Gedankenfetzen ist, taucht bei Stephen King häufig auf, aber selten geht er über einen Satz hinaus, weshalb ich diesem Textmuster einen eigenen Namen gegeben habe: der innere Kommentar.
Dieser Gedankenfetzen wird in den Text eingesetzt, wobei man häufig eher zurückgehaltene Redeanteile findet, also nicht den typischen Fortgang des Bewusstseinsstroms, der oft fragmentarisch und sprunghaft ist. Auch fehlt den inneren Kommentaren die Vielstimmigkeit, das Hin und Wider, bei dem sich der Erzähler innerlich positioniert, aber sowohl für als auch gegen etwas sein kann. Der innere Kommentar ist deshalb eher ein zurückgehaltener Dialog, der ausgesprochene Konflikte verdeutlicht und auf das Missverhältnis zwischen innerem Erleben und äußerem Geschehen hinweist.
Hier noch einige Stellen, an denen der innere Kommentar auftaucht (jeweils kursiv gesetzt):
Jack sah ihm über die Schulter und roch sein aufdringliches Parfüm. Alle meine Männer tragen Englischleder oder gar nichts, fuhr es ihm ohne jeden Grund durch den Sinn, und er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht laut loszulachen. (9)

Kannst du nicht wenigstens auf diese Anpreisungen verzichten?Aber er schwieg. Er brauchte den Job. (10)

Jack hielt die Hände im Schoß verschränkt und rieb sich die schweißnassen Finger. Schmieriger kleiner Scheißkerl, schmieriger kleiner … (12)

»Glaubst du, dass das Auto kaputt geht?«
»Nein. Das glaube ich nicht.« Aber jetzt hatte sie eine weitere Sorge. Danke, Danny. Das fehlte mir noch. (21)

Der moralisierte Bericht

Der ganze Absatz, vor den ich die Ziffer 2 gesetzt habe, der allerdings auch noch 3 und 4 umfasst, ist zunächst eine Wiedergabe des Wahrgenommenen, und damit eigentlich objektiv. Solche Berichte hält Stephen King immer recht knapp; und zugleich subjektiviert er sie, indem er wertende Adjektive (3) oder psychologische Allgemeinplätze (4) einfügt.
Tatsächlich ist der Unterschied zwischen objektiver und subjektiver Beschreibung besonders gut an den Adjektiven auszumachen. Sinnliche Adjektive, zum Beispiel alle Farben, alle materiellen Zustände („Die Treppen waren steil und abgesplittert.“ (20), „Becher mit duftendem, dampfendem Tee“ (26)), verweisen auf eine objektive Welt und einen objektiven Erzähler. Wertende Adjektive dagegen, und von diesen gibt es wesentlich mehr bei Stephen King, referieren eine subjektive Welt und damit einen subjektiven Erzähler, einen, der in das Geschehen verwickelt ist.
Schon diese erste, kurze Passage zeigt von solchen Adjektiven eine ganze Menge: eilfertig, nüchtern, tröstlich, aber auch exakt. Dazu kommen Adjektive, die ebenfalls wertend sind, die aber eher auf eine gesellschaftliche Position hinweisen: zahlend, klein (was hier metaphorisch verwendet wird für untergeben), örtlich (was wiederum metaphorisch zu verstehen ist, da hier kein objektiver, physikalischer, sondern ein subjektiver, sozialer Ort gemeint ist, auch wenn sich solche Orte häufig ununterscheidbar übereinanderlegen).
Der moralisierte Bericht ist ein wesentliches Mittel von Stephen Kings Erzählweise; man findet diesen im Zyklus vom schwarzen Turm, den eher psychologischen Romanen und den fantastischen Romanen, in der frühen, wie in der späten Phase. Hier zeigt sich auch, warum ich einen solchen Vorbehalt gegen den Erzählkreis hege (mittlerweile). Er kann die Wirkung solcher kleiner Textstellen in Bezug auf die umgebende Szene oder den gesamten Roman nicht angemessen wiedergeben.
Tatsächlich muss man bei Stephen King sehr stark darauf achten, auf welche Weise der perspektivische Erzähler mit seiner Umwelt verflochten ist, und ob dies in seiner Tendenz distanzierend oder annähernd geschieht, also auf die semantische Opposition Nähe/Distanz achten.

Allgemeinplätze

King benutzt häufig Versatzstücke aus der Alltagspsychologie, aus dem Volksmund oder aus der Werbung. Er packt, wenn man diese frei ausdrücken will, eine psychologische Beobachtung in eine Sentenz (wobei für eine Sentenz dann die rhythmische und rhetorische Durchformung fehlt).
Irgendwo in Das Leben und das Schreiben erzählt King, dass er bei seinen Reisen durch die Staaten (seinen Lesereisen) in allen Raststätten, an denen erhielt, sich auf den Toiletten die Sprüche abgeschrieben hat. Toilettensprüche sind wohl so etwas wie das volkstümliche Pendant zu den Sentenzen, oder das vulgäre Pendant zu den psychologischen Induktionen/Diagnosen.

Doppelgänger und spiritus loci

Der Satz (4) passt zu solchen Allgemeinplätzen dazu; mich allerdings interessiert an diesem Satz eine ganz andere Sache, nämlich seine Symbolik. Der Anzug ist in seiner Wirkung sozusagen zweigeteilt, er ist sein eigener Doppelgänger. Tatsächlich korrespondiert diese Zweiteilung mit zahlreichen weiteren Zweiteilungen in Shining. Sie ist aber auch allgemein ein wichtiges Symbol des Horrorromans.
Ich erinnere hier an die Zweideutigkeit des Gefängnisses in vielen Horrorromanen, unter anderen aber auch der Serie The walking Dead. Das Gefängnis kann zugleich Zufluchtsstätte, als auch Ausgeliefertsein bedeuten, und damit gegensätzliche Bedeutungen annehmen. Genauso funktioniert aber auch das Overlook Hotel. Zugleich ist es eine sehr luxuriöse Architektur, aber eben auch ein Spukhaus mit einer schrecklichen Vergangenheit.
In Romanen, und nicht nur dort, neigen Orte zu einer gewissen Besessenheit; immer gibt es eine Art spiritus loci, der manchmal durch eine konkrete Person, manchmal nur durch eine Atmosphäre verkörpert wird. In Spukhäusern, bei Stephen King gehört aber auch sehr eindeutig die Stadt Derry (Es, Insomnia) dazu, neigen diese örtlichen Geister zu einer Art Schizophrenie, einer Bewusstseinsspaltung und damit zu zwei verschiedenen Persönlichkeiten. Vermutlich werdet ihr dies aber auch selbst, in eurer Umgebung, so erleben, so wie man zum Beispiel sagt: ich erinnere mich an das Büro meines Großvaters, wobei man sich weniger an die einzelnen Gegenstände in diesem Büro erinnert, sondern eher daran, dass dieses Büro untrennbar mit dem Charakter des Großvaters verbunden war.

Erleben und Erzählen

In der Passage (5) taucht am deutlichsten der Ich-Erzähler auf. Auf der einen Seite, dort, wo der Ich-Erzähler vollständig in den Zwang des eigenen Denkens übergeht, d.h. in den Bewusstseinsstrom, ist die Distanz zur Wahrnehmung fast vollständig aufgehoben. Das Erzählen ist distanzlos, unmittelbar, direkt. Auf der anderen Seite, dort, wo sich der Ich-Erzähler von seinen Erlebnissen zunächst zeitlich, dann aber auch moralisch mehr und mehr entfernt, wird die Erzählweise distanziert, reflektierend und häufig (pseudo-)philosophisch.
Wenn der Ich-Erzähler auftaucht, kann man diesen auf der einen Seite in ein erlebendes und ein erzählendes Ich einteilen; ich halte es allerdings für zweckmäßiger, hier auf die moralische Distanz zu achten, insbesondere auf die Selbstbewertung und auf die Gerechtigkeit, die der Erzähler seinen Mitmenschen zukommen lässt. In dieser Passage ist die moralische Distanz zwischen dem Erleben und (sich selbst) Erzählen kaum existent. Auch dies ist für den Spannungsroman üblich; eine moralische Distanz bedeutet immer, dass die Erzählung mittelbar wird. Dies beißt sich allerdings mit dem Spannungsaufbau, so dass der philosophierende oder moralisierende Ich-Erzähler in Thrillern und Horrorromanen nur sehr selten zu finden ist. Taucht er zu häufig auf, wie man dies dann doch manchmal findet, erscheint der Roman als langatmig und belehrend.

Moralisierendes Erzählen

Bei Stephen King findet man das moralisierende Erzählen eigentlich nur im Dialog. In diesem ersten Kapitel baut er dies tatsächlich am Ende des Einstellungsgesprächs ein. Dort sagt Jack in Bezug auf seine Alkoholprobleme:
„»Al hat recht, wenn er sagt, dass ich nicht mehr trinke. Früher tat ich es, und es wurde immer schlimmer. Aber in den letzten vierzehn Monaten habe ich noch nicht einmal ein Glas Bier getrunken. Ich beabsichtige nicht, Alkohol mitzubringen, und ich glaube nicht, dass man welchen beschaffen kann, wenn erst der Schnee fällt.«“ (18)
Fragen wir nach der Funktionalität dieses Selbstbekenntnisses, dann muss man die anderen, nachfolgenden Kapitel mit dazu nehmen. Hier wird nämlich deutlich, dass Jack seine Alkoholprobleme durchaus nicht überwunden hat. Jack präsentiert sich nur gegenüber Stuart Ullman als souverän. Und dies ist auch eine Wirkung, die das moralisierende Erzählen auf den Leser hat. Würde Stephen King dies nicht im Dialog, sondern direkt in seinen Text einbauen, würde er den Leser belehren. So etwas mögen Romanleser allerdings selten; deshalb ist dies auch mehr eine Textsorte, die man in der Bekenntnisliteratur oder esoterischen Ratgebern findet. Oder, aber das soll hier nicht unser Thema sein, in der humorvollen Literatur (dort aber meist übertrieben, zum Teil Groteske verzerrt, siehe zum Beispiel Walter Moers).

Zusammenfassen und Weglassen

Es gibt zwei Grundmechanismen im Erzählen, das Zusammenfassen und das Weglassen. Zusammenfassungen sind Anzeichen für einen zumindest distanzierten, wenn nicht auktorialen Erzähler. So kann der Erzähler größere Zeitspannen oder lange Wegstrecken in wenigen Sätzen überbrücken. Weglassen dagegen ist der Mechanismus des wahrnehmenden, bzw. erlebenden Erzählers. Es ist klar, dass diese zwei Arten sind, um Informationen zu raffen und zu manipulieren und so dem Leser genau die Informationen zukommen zu lassen, die er braucht, um eine Geschichte spannend oder romantisch oder humorvoll zu finden.
Spannungsromane nutzen eher das Weglassen. Ganz typisch gehört dazu die Anweisung Show, don't tell!, die sich auf die Sinnlichkeit innerhalb einer Situation und die konkreten Handlungen konzentriert, während sie alle weiterführenden Gedanken und Erläuterungen außerhalb dieser Situation weglässt. Dadurch wird die Szene lebendig, dramatisch, aber insofern offen, als alles, was den Rahmen dieser Szene abgibt, nicht thematisiert wird. Zumindest vor zehn Jahren hat man immer gehört, dass eine Szene sinnlich sein sollte. Das ist natürlich richtig; dabei hat man aber wesentliche Wirkungen dieser Anweisung nicht thematisiert, eben, dass sie eine Szene auch offen gestaltet und dadurch wiederum eine große Unsicherheit aufbaut, was weiter passieren wird, so dass der Autor überraschende Wendungen einbauen kann, während der Leser durch ein Zu-wenig-an-Information auf den Fortgang der Geschichte gespannt bleibt.

Die erlebte Rede

Abschließend benutzt Stephen King ein Textmuster, welches ebenfalls ein Merkmal des modernen Romans ist, auch wenn dieses wesentlich früher als der Bewusstseinsstrom auftaucht, etwa zur Zeit des bürgerlichen Realismus (ab 1860; deutsche Vertreter sind: Fontane, Storm, Meyer). Dieses Muster durchbricht die Gattungsgrenze zur Dramatik. Es besteht aus der reinen Wiedergabe dessen, was zwei oder mehreren Personen miteinander sprechen, so dass es wie ein Ausschnitt aus einem Theaterstück gesehen werden könnte, samt dem dazugehörigen Bühnenrand.
Tatsächlich, so hatte ich dies bereits im letzten Artikel gesagt, ist dieses Textmuster mit einem unkörperlichen Erzähler verbunden, also dem Gegenteil des reinen Ich-Erzählers.
Hier ist weniger interessant, was die erlebte Rede kann, welche Wirkungen sie hat, wenn man sie über längere Passagen hinweg benutzt, denn genau das macht Stephen King nicht, sondern dass die erlebte Rede dem erlebenden Ich direkt gegenüber steht (sowohl in Stanzels Erzählkreis als auch in meiner Modifikation). So lässt sich zu Kings Erzählweise vor allem sagen, dass er durch den Wechsel der Textmuster die Opposition von sachlicher Schilderung und persönlichem Involviertsein dramatisiert; zugleich baut er aber auch über einen distanzierendem Ich-Erzähler und einem objektiv berichtenden, und damit ebenfalls distanzierten personalen Erzähler eine Verbindung auf, die vermutlich für die Identifikation mit bestimmten zentralen Figuren seiner Romane besonders wichtig ist.

Zusammenfassung

Kings Erzählweise ist über weite Teile hinweg durch eine unmittelbare Erzählweise gekennzeichnet. Diese ist vor allem dadurch geprägt, dass der Erzähler sich scheinbar nicht bewusst ist, dass er erzählt. Vielmehr scheint die Sprache unmittelbar und direkt das Geschehen zu begleiten.
Trotzdem ist der jeweilige Protagonist der Situation nicht vollständig ausgeliefert. Er kann sich innerlich wie äußerlich von ihr distanzieren, greift handelnd in diese ein oder beobachtet sie zurückhaltend. Damit sind alle Textmuster, die zur Ich-Erzählsituation zur personalen Erzählsituation gehören, für die Gestaltung der Erzählweise tauglich.
Die Spannbreite an verschiedenen Erzählmustern ermöglicht eine Vielstimmigkeit, die sowohl zur psychologischen Tiefe einer Figur beiträgt, als auch zu einer sehr dynamischen, theatralisierenden Erzählweise. Geprägt ist die Erzählweise insgesamt aber durch eine starke Parallelisierung von äußerer und innerer Welt des Protagonisten, die mal eine abgrenzende, mal eine annähernde Tendenz spüren lässt.
Als Textmuster habe ich aufgeführt: den inneren Kommentar (eine Ableitung aus dem Bewusstseinsstrom), den moralisierten Bericht (eine objektive Schilderung mit vielen wertenden Adjektiven und gelegentlichen Einschüben von Allgemeinplätzen, bzw. Sentenzen), das erlebende und erzählende Ich (wobei letzteres nur im Dialog auftaucht, also nie direkt in der Kommunikation vom Autor zum Leser), das vom erzählenden Ich abgeleitete moralisierende Erzählen und schließlich die erlebte Rede.
Sowohl das erlebende Ich als auch der moralisierte Bericht verflechten Sachlichkeit und Subjektivität eng miteinander und dadurch die individuelle Betroffenheit des Protagonisten durch seine Umwelt. Er ist ihr ausgeliefert, sofern er nicht handelnd eingreift. Der sich durch Sachlichkeit distanzierende personale Erzähler und der sich durch moralische Wertung distanzierende Ich-Erzähler verbinden sich trotz ihrer Unterschiedlichkeit durch ein Pathos der Distanzierung und bauen dadurch eine Opposition zu der individuellen Betroffenheit auf. Vermutlich sind hier die Effekte der Identifizierung und des Spannungsaufbaus zu suchen und damit die eigentlichen Ursachen für die Wertung eines Romans als spannend.

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