08.07.2017

Wille und Moral

Zu einer der aufregenderen Entdeckungen während meiner Lektüren gehörte in den letzten Jahren der Zusammenhang einer Willensphilosophie mit den Gottesbeweisen. Gottesbeweise positionieren sich immer zu dem Schicksal von Menschen, inwiefern dieses Schicksal göttlich gewollt ist, und wie sich der Mensch dazu zu positionieren hat: mit seinem Glauben und mit seiner Nächstenliebe.
Für mich hat die Genese des Willens lange Zeit nur in der Entwicklungspsychologie einen prominenten Platz gehabt. Die Frage, wie sich aus einem von Bedürfnissen gelenkten Säugling ein Mensch mit einer Moral entwickelt, war mir damit zunächst ein eher technisches Anliegen. Dass eine weiter gehende Betrachtung notwendig in die politische Philosophie führt, dürfte klar sein. Dort ist der Wille eine zentrale Kategorie.
Nun haben mich meine Lektüren nicht nur weiter in die Entwicklungspsychologie geführt, sondern auch zu historischen Vorläufern. Ein Restbestand meiner früheren Foucault-Lektüren besteht darin, Begriffe auch historisch zu betrachten und so nicht nur den aktuellen Stand der Dinge zu erfassen, sondern auch ihre Entwicklung.
Ein sehr modernes Buch ist Darf ich das oder muss ich sogar? von Bernward Gesang. Von den 21 Kapiteln habe ich erst drei gelesen. Ich werde mich also eines abschließenden Urteils enthalten.
Trotzdem kann ich zu dem Buch schon einiges sagen: es ist sehr verständlich formuliert. Die Argumentation verläuft zwar gelegentlich deutlich plakativ, aber insgesamt doch abwägend. Es ist eben ein populärwissenschaftliches Buch. Wenn man sich einige Jahre mit der politischen Philosophie beschäftigt hat, ist man dankbar dafür, dass der Autor politisch-moralische Positionen auf griffige Formeln bringt, die natürlich nicht die ganzen Feinheiten abdecken, aber hinreichend genau sind.
Ein Zeichen dafür, dass der Autor nicht einfach nur zu aktuellen Problemen Stellung nehmen möchte, sondern dem Leser eine gute erste Karthographie des Gebietes liefern möchte, ist eben jenes einführende Kapitel, welches auf die Geschichte des freien Willens und damit auf die Gottesbeweise eingeht. Dafür sind nun die 15 Seiten, die das Buch dafür reserviert, geradezu gruselig kurz. Bedenkt man aber, dass den meisten Menschen nicht einmal der grobe Zusammenhang klar ist, und bedenkt man weiter, dass die Darstellung eine erste, sachliche Orientierung bietet, kann man ihm auch wieder dankbar sein.
Eine weitere, äußerst hilfreiche Sache sind die eingeschobenen kurzen Definitionen zu bestimmten Argumentationsgängen. Diese stellen knapp und objektivierend Tendenzen und Diskussionszusammenhänge dar, so etwa, um hier einige exemplarisch herauszugreifen, zum Freiheitsproblem, zur Vertragstheorie, zum ethischen Relativismus, zur Naturethik, zur Demütigungstheorie der Menschenwürde, usw.
Am Ende einer Rezension erwartet man mittlerweile eine Kaufempfehlung. Glücklicherweise ist dies keine Rezension, sondern eher eine Impression. Ich würde euch aber keinesfalls schief ansehen, solltet ihr euch das Buch zulegen. Falls euch das weiterhilft.

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