11.10.2015

Nach Marx

Es gibt nur kleine Nachrichten, diesmal.

Schreiben

Wie immer schreibe ich sehr viel. Ich veröffentliche nur wenig. Derzeit arbeite ich wieder experimenteller. Ich hatte mir für die Sommerferien vorgenommen, dass ich beliebige Zettel aus meinem Zettelkasten zusammenstelle und diese dann zu Essais verarbeitete, einfach, um Verbindungslinien zu schaffen. Dann hatte ich in den Sommerferien viel zu wenig Zeit. Im Moment bin ich aber zumindest an einem solchen Text dran.
Erhofft hatte ich mir, dass diese wahllose Zusammenstellung eine Dissonanz erzeugt, die mein Denken noch einmal in eine andere Richtung weist. Aber ich glaube, dass ich solche Hilfsmittel gar nicht brauche. Dazu ist das, was ich lese, für sich schon viel zu heterogen.

Plotten

Auf der Fahrt zur Arbeit kann ich nur sehr schlecht lesen. Zwar habe ich rundherum kaum noch Zeit, so dass ich tatsächlich wesentliche Teile meiner Bücher doch während der Zugfahrt überflogen habe. Aber ich mag es nicht. So habe ich in den letzten zwei Wochen auch etwas anderes gemacht, nämlich kurze Geschichten skizziert. Die Arbeit ist nicht besonders befriedigend, weil ich nicht die Möglichkeit habe, mich mal ein paar Tage hinzusetzen und diese auszuformulieren. Andererseits mache ich mir während des Plottens viele Gedanken über die Texte meiner Schüler.

Willensbildung

Dies ist immer wieder mein Thema. Und das ist auch der Grund, warum ich mich eigentlich sehr intensiv mit der politischen Philosophie beschäftigen möchte. In den letzten zweieinhalb Jahren habe ich diverse Einführungen in Werke politischer Philosophen gelesen (Machiavelli, neben Platon und Aristoteles auch Menon und Kriton, Montesquieu, natürlich meine gute Hannah Arendt, Judith Butler), und auch einiges an Originalwerken. Immer wieder schweife ich auch in benachbarte Sphären ab, in die Anthropologie und die Ethnologie, in letzter Zeit scheint es mir auch, als müsste ich mich mal wieder intensiv mit der Psychoanalyse beschäftigen, insbesondere in den Bereichen, wo sie in Strukturen von Gruppen und Gemeinschaften hineinreicht.
Willensbildung umfassend zu betrachten erscheint mir deshalb so notwendig, weil die Psychologen die inneren Vorgänge zwar rekonstruieren, aber die äußeren Wirkungen eher wenig bedenken. Wenn allerdings der zentrale Auftrag der Schule die Erziehung zu Demokratie ist, dann steckt dahinter als Fundament die Erziehung zu einem demokratischen Willen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten Lehrer (ich übrigens auch nicht) von diesem zentralen Erziehungsauftrag herzlich wenig Ahnung haben. Weshalb er in der Praxis ja auch so oft scheitert.

Nach Marx

Neulich habe ich so ausführlich über Marcuse geschrieben. Marcuse ist mir insgesamt wunderbar suspekt. Wenn er seine Ableitungen entwickelt, dann immer in der schönen Dialektik des historischen Materialismus. Diese Dialektik geht folgendermaßen vor: Sie bestimmt zwei Gegenspieler, beschreibt diese, entdeckt dabei die Widersprüche und die Gemeinsamkeiten, und stellt anschließend einen übergeordneten Zusammenhang her, der bei den gläubigen Marxisten allzuhäufig der Zusammenhang der bürgerlichen Gesellschaft ist, d.h. ein in sich zerrissener Zusammenhang.
Nun sind die Argumentationslinien gerade nicht schlecht, sondern zum Teil richtig gut. Gute marxistische Theoretiker verwirklichen eine „reine Logik“, wie man sie sich von manchen Menschen, aber vor allem auch von ernsthafteren Journalisten und Akademikern wünschen würde. Marcuse darf als Vorbild empfohlen werden.
Solche mustergültigen Argumentationen täuschen aber darüber hinweg, dass die beiden Gegenspieler weniger gefunden als erfunden werden, so dass zu Beginn der Argumentation der Schluss schon feststeht. Demnach sehen die Argumentationen zwar nicht wie Zirkelschlüsse aus, bilden diese aber trotzdem. Nur weil ein Teil des Arguments weggelassen wird, heißt das noch nicht, dass der Zirkelschluss nicht besteht.
Wenn ich gelegentlich die Marxisten doch sehr lobe, wenn ich insgesamt mein Bedauern ausdrücken, dass ich diese zu wenig gelesen habe, dann deshalb, weil sich viele Hypothesen auch in anderen Theorien bestätigt finden (ich denke zum Beispiel an die systemische Elitetheorie oder an die Theorie der soziokulturellen Evolution).
So ein richtig aufrechter Marxist würde mich aber vermutlich in die Ecke des obskuren Kantianismus stellen. Zumindest würde ich das nicht als Beleidigung empfinden, denn dann hätte ich eine Gemeinsamkeit mit dem großartigen Michail Bachtin.

Jedenfalls habe ich mir jetzt einige Bücher von moderneren und interessanteren Ausprägungen der marxistischen Theorie bestellt.
Drei Bücher von Rahel Jaeggi gehören dazu (Nach Marx; Kritik von Lebensformen; Was ist Kritik?). Außerdem von Louis Althusser sein berühmtes Werk Für Marx. Schließlich noch von Martin Saar Die Immanenz der Macht, wobei dieses Werk die Wirkungen von Spinoza auf die politische Theorie beleuchtet.

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